Karlsruhe/Berlin. . BKA-Ermittler haben auf der Festplatte eines Computers der Zwickauer Terrorzelle Vorläufer eines Bekennervideos entdeckt. Nach Angaben eines Sprechers belegten die Videos, dass die Taten „mit terroristischer Zwecksetzung“ begangen worden seien.
Ermittler haben auf der Festplatte eines Computers der Zwickauer Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) Vorläufer eines Bekennervideos entdeckt. Es handele sich um „frühere Entwürfe“, die sich auf einige der neun Morde an Kleinunternehmern und auf den Sprengstoffanschlag von 2001 in Köln bezögen, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Marcus Köhler, am Dienstag in Karlsruhe. Unterdessen wird ein Untersuchungsausschuss zum rechtsextremistischen Terrorismus immer wahrscheinlicher. Nachdem sich führende Politiker der Grünen und der Linken für ein solches Gremium ausgesprochen haben, lenkt nun auch die SPD ein.
Die „Bild“-Zeitung hatte berichtet, Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) hätten zwei weitere Bekenner-Videos entdeckt. Die Ermittler stuften die Filme jedoch als Vorläufer des bereits bekannten, zynischen „Paulchen-Panther“-Terror-Videos ein, das aus dem Jahr 2007 stammt. BKA-Spezialisten hätten den Inhalt der Festplatte jetzt rekonstruieren können, obwohl der Computer bei dem Brand im Haus des mutmaßlichen Mörder-Trios Anfang November erheblich beschädigt worden war. Den Ermittlern zufolge belegten die Videos, dass die Zwickauer Neonazis ihre Taten von Anfang an geplant hätten, berichtete „Bild“. Köhler zufolge zeigten die Ermittlungen, dass alle Taten der NSU „mit terroristischer Zwecksetzung“ begangen worden seien.
Demonstration in Worms von Rechtsterroristen besucht
Laut „Süddeutscher Zeitung“ prüft offenbar die Zürcher Kantonspolizei, ob die NSU etwas mit dem bislang unaufgeklärte Mord an einem Rabbiner in Zürich am 7. Juni 2001 zu tun haben könnte. Der 71-Jährige war demnach aus nächster Nähe mit zwei Schüssen getötet worden. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte, es gebe bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass die Terrorgruppe NSU für diesen Mord verantwortlich sei.
Unterdessen wurde bekannt, dass zwei mutmaßliche Mitglieder und ein mutmaßlicher Helfer der rechtsterroristischen NSU in den 1990er Jahren an einer Demonstration im rheinland-pfälzischen Worms teilgenommen haben. Am 17. August 1996 seien bei dem unangemeldeten „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Ralf Wohlleben mitgelaufen, teilte das Landes-Innenministerium am Dienstag in Mainz mit.
Bei der Veranstaltung kamen den Angaben zufolge Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen. Den Angaben zufolge war auch der heutige Bundesvorsitzende der NPD, Holger Apfel, bei der nicht genehmigten Veranstaltung zugegen.
Vier mutmaßliche Unterstützer in Untersuchungshaft
Die am 4. November tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelten als Haupttäter der Zwickauer Terrorzelle. Zschäpe, die in Untersuchungshaft sitzt, soll mit ihnen zusammen die NSU gegründet haben. Auch vier mutmaßliche Unterstützer der Neonazi-Zelle sitzen inzwischen in Untersuchungshaft: Außer dem Ex-NPD-Funktionär Wohlleben sind dies Holger G., Andre E. und Matthias D., der zuletzt am Sonntag in Sachsen festgenommen worden war.
Die Gruppierung NSU soll in den Jahren 2000 bis 2006 neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie den Mord an einer Polizistin in Heilbronn vom 25. April 2007 verübt haben. Zudem soll sie für die Sprengstoffanschläge vom 19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln verantwortlich sein.
Untersuchungsausschuss wird immer wahrscheinlicher
Ein Untersuchungsausschuss rückt nun offenbar immer näher. „Wir werden uns dem nicht verweigern, weil wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, zur Aufklärung nicht bereit zu sein“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, der Online-Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz erklärte der Zeitung: „Wenn Grüne und Linkspartei einen Untersuchungsausschuss haben wollen, dann wird er kommen. Die SPD wird mit dabei sein und ihn mittragen.“
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bekräftigte seine Forderung nach lückenloser Aufklärung. „Wir sind fest davon überzeugt, dass wir gerade mit Blick auf die Opfer diese Verbrechensserie rückhaltlos und konsequent aufklären müssen“, sagte er. „Das geht nur mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, hier sind die Regeln klar“, fügte Trittin hinzu.
Auch sein Kollege von der Linkspartei, Gregor Gysi, pochte auf einen Untersuchungsausschuss zu möglichen Ermittlungsfehlern bei der Neonazi-Mordserie. „Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss, denn da gilt bei Falschaussage die Strafprozessordnung. So können wir uns der Wahrheit zumindest besser nähern“, sagte Gysi.
Ein Untersuchungsausschuss prüft mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung sowie Fehlverhalten von Politikern. Insbesondere soll geklärt werden, ob Verfassungsschutz und Polizei willentlich oder unwillentlich die frühzeitige Festnahme der untergetauchten Täter vereitelt haben. Nach Artikel 44 des Grundgesetzes kann und muss der Bundestag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen. (dapd)