Brüssel. Die deutsche Regierung erhöht vor dem EU-Gipfel zur Rettung des Euro den Druck auf die europäischen Partner: Bevor weitere Hilfsschleusen geöffnet werden, soll es eine verbindliche Schuldenbremse für alle Euro-Staaten geben. Da das kaum durchsetzbar ist, wird es Ergebnisse nur ij Tippelschritten geben.
Kurz vor dem Krisengipfel erhöht der größte EU-Staat Deutschland massiv den Druck auf seine europäischen Partner. Deutschland werde keine Kompromisse machen, verlautete am Mittwoch aus Regierungskreisen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) reise mit dem Ziel nach Brüssel, verbindliche Regeln zumindest für den Euro-Währungsraum festzulegen. Um künftige Schuldenkrisen zu vermeiden, sollen zu hohe Schuldenberge und zu große Löcher in den Staatshaushalten vermieden werden.
Donnerstag Abend treffen sich die europäischen Staats- und Regierungschefs zum Abendessen. Sie reden über Auswege aus der grassierenden Schuldenkrise. Die Nacht wird lang, darin sind sich alle einig. Auch am Freitag, dem Haupttag des Gipfels, halten halten viele Marathon-Verhandlungen für möglich.
„Wir sind überzeugt, dass wir unverzüglich handeln müssen“, betonten Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy angesichts der erfolglosen Krisenbekämpfung der vergangenen Monate.
Der Ernst der Lage wird unterschiedlich interpretiert
Deutsche Regierungsvertreter gaben sich allerdings „pessimistischer als letzte Woche“, dass bei dem EU-Gipfel eine umfassende Einigung zur Bekämpfung der grassierenden Schulden- und Vertrauenskrise gelinge. Einige Staaten hätten den Ernst der Lage nicht verstanden. Nötig sei nicht nur eine „Reihe von Trippelschritten“, sondern eine neue vertragliche Grundlage. Die strebt Merkel bis März an.
Aus Berlin kam zudem heftige Kritik an Vorschlägen von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy, wie der monatelange Schuldenaufruhr besänftigt werden könnte. „Das ist wieder eine typische Brüsseler Trickkiste“, hieß es. Rompuy hatte unter anderem aufgelistet, wie der EU-Vertrag geändert werden könnte, ohne dass die nationalen Parlamente beteiligt würden.
Nach dem Willen Deutschlands sollen europäische Behörden wie die EU-Kommission und der oberste EU-Gerichtshof kontrollieren, ob die Staaten ordentlich haushalten und nicht übermäßig viele Schulden machen. Dazu strebten Deutschland und Frankreich eigentlich eine rasche und punktuelle Änderung des Lissabon-Vertrages an. Doch erscheint die notwendige Zustimmung aller Mitgliedstaaten derzeit nicht machbar. Großbritannien, das nicht Mitglied des Euro-Raums ist, will bei einer „kleinen“ Vertragsänderung nicht mitziehen, sondern eigene Änderungswünsche vorbringen.
EU soll unsolide Staaten disziplinieren
Daher setzt Merkel nun auf einen Vertrag zwischen den Regierungen der 17 Euro-Staaten. „Wir streben keine abgeschottete Eurozone an“, hieß es. EU-Länder, die den Euro nicht nutzen, könnten sich anschließen. EU-Behörden sollen trotzdem mehr Durchgriffsrechte erhalten, um unsolide wirtschaftende Staaten zu disziplinieren.
In einem Brief an EU-Ratspräsident Rompuy erläuterten Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy am Mittwoch, was für sie die Kernpunkte einer „neuen Stabilitäts- und Wachstumsunion“ sind. Die Euro-Staaten sollen sich mindestens zwei Mal jährlich zu einem Gipfel treffen – solange die Schuldenkrise grassiert, sogar monatlich.
Merkel und Sarkozy wollen zudem künftigen Krisen vorbeugen. „Es liegt ohne Zweifel im Interesse aller Mitglieder der Stabilitäts- und Wachstumsunion, Abweichungen von einer soliden Wirtschafts- und Fiskalpolitik festzustellen und zu korrigieren, lange bevor sie zu einer Bedrohung für die Stabilität der Eurozone als Ganzes werden“, schreiben sie. So sollen Staaten einen ausgeglichenen Haushalt anstreben. Ob sie entsprechende Regeln („Schuldenbremsen“) wirklich umsetzen, soll der EU-Gerichtshof überprüfen können.
Staatlichen Haushaltssündern sollen automatische Strafen drohen. Die EU-Kommission soll Sanktionen oder Maßnahmen für das betroffene Land vorschlagen. Die Staaten sollen Strafen nur mit großer Mehrheit abschmettern können.