Brüssel/New York. Die Ratingagentur Standard & Poor's droht 15 Euro-Ländern mit einer Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit. Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy reagieren gelassen auf diese Drohung. Ihre Vorschläge würden die Eurozone stärken und Stabilität fördern.
Standard & Poor's (S&P) holt zum Rundumschlag in Europa aus: Die mächtige US-Ratingagentur droht Deutschland und praktisch allen anderen Euro-Ländern mit der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit. In einem beispiellosen Schritt versah S&P alle diese Staaten mit einem negativen Ausblick, was binnen drei Monaten eine Herabstufung nach sich ziehen könnte.
Die bisher mit der Top-Bonitätsnote AAA bewertete Bundesrepublik könnte um eine Stufe abgewertet werden, teilte S&P am Montagabend mit. Wegen der sich verschärfenden Schuldenkrise stehe das bisherige Rating auf dem Prüfstand. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy reagierten umgehend, aber gelassen: In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten sie ihren festen Willen, die Euro-Zone mit allen notwendigen Maßnahmen zu stabilisieren. Die von beiden Regierungen gemachten Vorschläge würden die haushalts- und wirtschaftspolitische Koordinierung der Eurozone stärken und so Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum fördern. Der Plan werde sicherstellen, dass sich "so etwas wie jetzt nie wiederholt", sagte Sarkozy mit Bezug auf die gegenwärtige Schuldenkrise. Deutschland und Frankreich seien entschlossen, gemeinsam mit ihren europäischen Partnern und den europäischen Institutionen alle Maßnahmen zu treffen, um die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten.
Deutscher Sparkurs in Gefahr?
S&P begründete den Schritt mit einer besorgniserregenden Entwicklung in der von der Schuldenkrise gebeutelten Euro-Zone. In den vergangenen Wochen habe der Druck auf die Kreditwürdigkeit des gesamten Währungsraums zugenommen. Die Agentur bescheinigte der Politik anhaltende Unstimmigkeiten darüber, wie mit der Krise umgegangen werden soll. S&P kündigte an, die Überprüfung nach dem EU-Gipfel am kommenden Freitag so schnell wie möglich abzuschließen. Ein negativer Ausblick bedeutet, dass die Agentur ihre aktuelle Bewertung von Staatsanleihen überprüft und in weniger als drei Monaten über eine Herabstufung entscheidet.
Im Hinblick auf Deutschland erklärte S&P, die Zusammenarbeit in der Euro-Zone habe sich in Zeiten haushaltspolitischer und wirtschaftlicher Herausforderungen verschlechtert. Diese Bedingungen könnten den deutschen Sparkurs und Reformen wie die Schuldenbremse in der Verfassung wieder zunichtemachen.
Alle Euro-Staaten im Visier der Ratingagentur
Insgesamt 15 der 17 Euro-Staaten nahm die Agentur auf ihre Liste mit negativem Ausblick. Davon ausgenommen sind Zypern und Griechenland: Zypern steht bereits unter besonderer Beobachtung, und griechische Bonds werden von S&P längst mit CC bewertet - was auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls in näherer Zukunft verweist.
Die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik wird wegen vergleichsweise solider Staatsfinanzen bisher von allen großen Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet, womit ein Zahlungsausfall als höchst unwahrscheinlich gilt. Je höher die Bonitätsnote, desto günstiger kommen Schuldner an Geld. In der Schuldenkrise hatten die Einschätzungen der mächtigen Ratingagenturen immer wieder für Wirbel gesorgt. Nach Herabstufungen wurde es für finanziell angeschlagene Länder immer schwerer, sich am Kapitalmarkt Geld zu besorgen. Die Krise verschärfte sich dadurch.
S&P erklärte, die Noten für Deutschland, Österreich, Belgien, Finnland, Luxemburg und die Niederlande könnten um eine Stufe gesenkt werden. Für die anderen Länder könne es um bis zu zwei Stufen abwärtsgehen. Die beiden anderen großen Ratingagenturen, Moody's und Fitch, hatten unlängst erklärt, sie könnten ihre Bewertungen auf den Prüfstand stellen. Bisher halten sie aber an einem stabilen Ausblick für die Euro-Länder mit Bestnoten fest. Das sind neben Deutschland und Frankreich auch Österreich, Finnland, Luxemburg und die Niederlande.
Keine weiteren Sparrunden für Frankreich
Frankreich plant trotz des S&P-Warnschusses keine weiteren Sparrunden. "Das Problem ist ein Vertrauensproblem (in der Euro-Zone) ... Wir bauchen eine bessere Integration auf Haushaltsebene", sagte der französische Finanzminister Francois Baroin am Montagabend dem Sender France 3. "Wir benötigen keinen dritten Sparplan. Wir brauchen keine weiteren Maßnahmen. Wir müssen die Koordinierung der europäischen Politik verstärken", fügte er hinzu. Frankreich müsse auch keine öffentlichen Gelder in die Banken pumpen. Die Ratingagentur habe bei ihrer Einschätzung nicht die französisch-deutschen Pläne zur Bewältigung der Schuldenkrise einbezogen.
Am Montag hatten mit Deutschland, Frankreich und Italien drei Schwergewichte der Euro-Zone einen weiteren Versuch unternommen, das Vertrauen der Märkte wieder zu stärken. Merkel und Sarkozy präsentierten erste Ideen, wie sie für eine verbindlichere Einhaltung der Schuldengrenzen sorgen wollen. Italiens neuer Ministerpräsident Mario Monti stellte ein Reformpaket über 30 Milliarden Euro vor.
Gelassenheit in Finnland und Deutschland
Finnland sieht seinen Bankensektor trotz des kräftigen Warnschusses der Ratingagentur S&P nicht in Gefahr. Die Banken des Landes seien relativ gesund, teilte das Finanzministerium des nordeuropäischen Landes am Montagabend mit. Finnland teile nicht die Bedenken der Ratingagentur, dass eine andauernde Finanzkrise den Geldhäusern den Zugang zum Kapital erschweren und eine Intervention der Regierung nötig werden könnte. "Der relativ gute Zustand des finnischen Bankensektors verlangt derzeit nicht nach irgendwelchen Maßnahmen", hieß es in der Mitteilung des Ministeriums.
Der deutsche Unionshaushaltspolitiker Norbert Barthle zeigte sich angesichts des Schrittes von S&P am Montagabend gelassen. "Das überrascht mich nicht und zeigt, dass diese Krise demnächst überwunden sein wird", sagte Barthle der Nachrichtenagentur Reuters. Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach erklärte, Ziel der Ankündigung sei offenbar, vor dem EU-Gipfel zusätzliche Nervosität zu erzeugen. (rtr, dapd)