Paris. . Der Euro-Rettungsschirm soll schon kommendes Jahr wirken. Darauf haben sich Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei einem Treffen am Montag geeinigt. Außerdem treten sie für härtere Strafen gegen Defizitsünder ein.
Mit strikten Schuldenbremsen in allen Euro-Ländern, mit automatischen Sanktionen gegen Defizitsünder und der Schonung von Banken wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy die Euro-Krise entschärfen. Beide einigten sich am Montag in Paris auf einen neuen Euro-Vertrag, für den sie auf dem EU-Gipfel am Ende der Woche das grüne Licht aller 27 EU-Mitglieder erwarten. Der Plan werde sicherstellen, dass sich "so etwas wie jetzt nie wiederholt", sagte Sarkozy.
Wenn es Widerstand der Nicht-Eurostaaten gibt, dann soll der Vertrag erst nur von den 17 Euroländer eingeführt werden. Schon bis zum März soll er ausgehandelt sein, sagte Merkel. Gelingt das, kann der Plan in Paris noch vor der Präsidentschaftswahl ratifiziert werden. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy soll am Mittwoch einen Entwurf erhalten. Am Donnerstag und Freitag kommen dann alle EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammen.
Der "Merkozy"-Plan
Der Plan von "Merkozy", wie das deutsch-französische Duo inzwischen genannt wird, enthält sechs Kernpunkte:
- Ein Reißen der 3-Prozent-Neuverschuldungsgrenze soll automatisch bestraft werden. Gestoppt werden können die Strafen nur durch eine Zweidrittelmehrheit der Mitgliedsstaaten.
- Alle Euroländer fügen eine Schuldenbremse in ihre Verfassungen ein, der einen ausgeglichenen Haushalt erzwingt. Der Europäische Gerichtshof überwacht, ob wirklich strikte Schuldenbremsen in den nationalen Gesetzen verankert werden. Er kann allerdings keine nationalen Budgets für ungültig erklären.
- Bei neuen Rettungsaktionen wird der Privatsektor geschont. Für das neue Griechenland-Paket war ein Schuldenschnitt von 50 Prozent vereinbart worden, bei dem Banken und Fonds auf 100 Milliarden Euro verzichten. "Das wird ein Einzelfall bleiben", bekräftigte Merkel, und revidierte damit ihre bisherige Position. Vor allem das soll das Geldleihen für Wackelkandidaten rasch wieder billiger machen.
- Der dauerhafte Rettungsschirm ESM wird von Mitte 2013 auf Ende kommenden Jahres vorgezogen. Die Entscheidungen des ESM müssen nicht mehr einstimmig fallen, sondern können auch mit einer Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen gefällt werden, damit Einzelne "nicht den gesamten Zug aufhalten", sagte Merkel.
- So lange die Krise andauert, finden ein Mal pro Monat Euro-Gipfel statt.
- Die Europäische Zentralbank kann ihr Aufkaufprogramm von Staatsanleihen fortsetzen, ohne dass es Kritik daran aus Deutschland gibt. Paris versagt sich zugleich jede Forderung nach einer aktiveren Rolle der EZB.
Automatische Sanktionen
Für einige Elemente des Plans müssen die Europäischen Verträge geändert werden: Automatische Sanktionen sind derzeit nicht möglich. Merkel betonte, man werde nun mit dem Europäischen Parlament reden, damit dieses grünes Licht für ein einfaches Vertragsänderungsverfahren gebe - das noch im kommenden Jahr abgeschlossen sein soll.
Im "Merkozy"-Paket finden sich keine Euro-Bonds, die damit für absehbare Zeit vom Tisch sind. Bislang hatte sich Sarkozy nicht klar zum deutschen Nein positioniert. Am Montag stellte er sich klar hinter Merkel. Was sei das "für eine lustige Idee", dass eine Vergemeinschaftung der Schulden eine Antwort auf die Krise sei, sagte er.
Für ihren gemeinsamen Plan mussten beide Seiten Kompromisse machen. So kommt es nicht zu dem klaren Durchgriffsrecht der EU-Kommission, das Merkel verlangt hatte, auch wenn Regierungen künftig eine qualifizierte Mehrheit für ein Blockieren von Sanktionen brauchen. Doch schon das ist für Sarkozy ein harter Brocken, denn Frankreich muss bei einem Defizit von rund fünf Prozent auch ein Verfahren befürchten.
Sarkozy knickte in der Frage der Euro-Bonds ein, weil diese für Merkel ein rotes Tuch sind. Die Kanzlerin hingegen gab nach, indem sie auf eine Beteiligung des Privatsektors an neuen Rettungsaktionen, etwa für Italien, verzichtete. Und auch mit dem Stillhalte-Abkommen zur Rolle der EZB hat sich Merkel bewegt, weil die Anleihenkäufe nun ohne Kritik weitergehen können.
Merkel gibt bei Bankenbeteiligung nach
Merkel rechtfertigte ihre Biegsamkeit mit dem Handlungsdruck. Es war "ganz offensichtlich", dass durch die Referendumsankündigung in Griechenland Anfang November eine große Verunsicherung eingetreten sei. "Das müssen wir überwinden, das ist die Botschaft." Bis das Inkrafttreten des neuen Paktes Ende März sichergestellt sei, würden die derzeitigen Brandmauern - der Rettungsschirm EFSF unterstützt vom Internationalen Währungsfonds IWF - ausreichen.
Sarkozy sprach von "der historischen Pflicht zur Einigung" zwischen Frankreich und Deutschland. "Unser Ziel ist, den Euro zu erhalten und Wachstum zu bekommen. Deswegen haben wir beschlossen, einen langen Weg zu gehen."
Skepsis in Brüssel
In Brüssel lösten die Äußerungen von Merkel und Sarkozy Stirnrunzeln aus. Die beiden möchten, dass die 17 Staaten Regierungen des Euro-Währungsraums stärker zusammenarbeiten. Die EU-Kommission hält wenig von so einer engeren Kooperation, da diese ein „Parallelsystem“ zur EU schaffen würde.
Sony Kapoor von der Denkfabrik „Re-Define“ sagte, Merkel und Sarkozy hätten nicht viel Neues kundgetan. „Aber wenigstens haben sie sich nicht erneut öffentlich gezankt.“ Noch sei unklar, ob die von Deutschland und Frankreich angepeilte „Stabilitätsunion“ wirklich die Hauptschwachstellen im Euro-Währungsraum beseitigen könne.
Um die Schuldenkrise wirksamer zu bekämpfen, wollen Merkel und Sarkozy den EU-Vertrag rasch ändern. Auch das sieht die EU-Kommission kritisch. „Wir haben unter den bestehenden Verträgen die Instrumente, um unsere Überwachung von Haushalten und Wirtschaftspolitiken zu verschärfen, darunter auch die Möglichkeit von Sanktionen", sagte ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Der Chef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Martin Schulz, warnte davor, den EU-Vertrag zu ändern. Selbst eine begrenzte Reform werde die Finanzmärkte nicht beruhigen, sagte er. „Wir können nicht die Europäische Union in der Krise, in der sie jetzt ist, über zwei Jahre mit großen Vertragsdebatten belasten." (dapd/sbi)