Brüssel. . Energieriesen wie RWE und Eon müssen sich auf Nachbesserungen ihrer Atommeiler einstellen. Das zeigen die Zwischenberichte zu den – freiwilligen - „Stresstests“ in Europa. Bis Jahresende sollen die nationalen Atomaufseher der EU-Kommission ihre Abschlussberichte schicken.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat sich nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Alle 143 Atomanlagen in der Europäischen Union sollen so sicher wie möglich Strom erzeugen. Dazu allerdings müssen wohl auch Kernkraftwerke in Deutschland modernisiert werden. Das zeigen die Zwischenberichte der europaweiten „Stresstests“.

Diese - freiwilligen - Überprüfungen hatte Oettinger kurz nach der Fukushima-Katastrophe im März durchgesetzt. Die Stresstests sind vor allem bei den europäischen Grünen und Umweltschutzorganisationen umstritten. Sie halten die Prüfungen für zu lasch.

„Wichtige Risikofaktoren bleiben unberücksichtigt“

Die in Atomfragen umtriebige EU-Abgeordnete Rebecca Harms (Grüne) warnt: „Die europäischen Bürgerinnen und Bürger sollten sich von Kommissar Oettinger nicht hinters Licht führen lassen, wenn er versucht die Tests als großen Fortschritt für die atomare Sicherheit zu verkaufen.“ Wichtige Risikofaktoren blieben unberücksichtigt. Auch die Gefahr von Flugzeug-Abstürzen oder Terroranschlägen spiele keine Rolle, kritisiert Harms. Dem allerdings widerspricht Oettinger energisch.

In Deutschland nimmt das Bundesumweltministerium die 13 Atomkraftwerke unter die Lupe. Die Experten untersuchen, wie gefährdet die Anlagen sind, wenn die Erde bebt, der Strom ausfällt oder ein naher Fluss über seine Ufer tritt. Bisher erwiesen sich die Anlagen als „sehr widerstandsfähig“, heißt es in dem 66-seitigen Bericht. Auch der Schutz gegen Terroranschläge sei „weitreichend“, heißt es im Zwischenbericht. „Trotzdem werden derzeit Schritte erwogen, die Robustheit deutscher Atomkraftwerke weiter zu stärken.“

Nicht alle EU-Staaten legten ähnlich umfassende Berichte vor wie Deutschland. Tschechiens Stresstest-Zwischenstand sei „ziemlich kurz und mager“, verlautete aus der EU-Kommission. Die Kommission selbst zog am Mittwoch keine Schlüsse aus den Stresstest-Ausführungen der Staaten. Das wäre verfrüht, hieß es.

„Wir akzeptieren nur die höchsten technischen Standards“

Oettinger versucht derweil, die Bürger mit markigen Worten zu beruhigen. „Wir akzeptieren nur die höchsten technischen Standards“, sagte er. Doch Oettinger weiß genau, dass er den Staaten nichts vorschreiben kann. In der Energiepolitik haben die Länder das Sagen, nicht die EU-Kommission. Bisher sind die Länder für Kontrollen und Sicherheitsstandards ihrer Atomkraftwerke verantwortlich. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen an die Anlagen.

Oettinger hofft, dass er das teilweise ändern kann. Dazu will er erst einmal die endgültigen Prüfberichte der staatlichen Atomkontrollbehörden abwarten. Sie sollen bis Ende des Jahres vorliegen. Dann überlegt die EU-Kommission, wie die Erzeugung von Atomstrom in Europa sicherer werden kann. Entsprechende Gesetzesvorschläge will Oettinger den EU-Staaten im Juni unterbreiten.

Atomkraftwerke liefern etwa ein Drittel des Stroms

Ohne Atomstrom könnte Europa den Energiebedarf der Bürger und Unternehmen nicht decken. Die 143 Atomkraftwerke in der EU liefern etwa ein Drittel des benötigten Stroms.

In Deutschland, das aus der Kernenergie aussteigen wird, erzeugen derzeit 18 Reaktoren an 13 Standorten in fünf Bundesländern Atomstrom. Vier Energiekonzerne betreiben die Kraftwerke: Eon, RWE, EnBW und Vattenfall.

In 13 weiteren EU-Staaten produzieren Kraftwerke Atomstrom: in Belgien, Bulgarien, Großbritannien, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Litauen, das derzeit seinen letzten Atomkraftwerksblock stilllegt, macht ebenfalls bei den Stresstests mit. Zudem beteiligen sich die Schweiz und die Ukraine an den Überprüfungen.