Berlin. Der Bundestag berät in dieser Woche abschließend über den Haushalt für das kommende Jahr. Am Montag beginnen die Beratungen der Einzeletats der Ministerien. Der Haushalt soll am Freitag verabschiedet werden. Die Neuverschuldung soll von 22 auf 26,1 Milliarden Euro steigen.
In der Schuldenkrise vergeht kein Tag, an dem Finanzminister Wolfgang Schäuble oder Kanzlerin Angela Merkel nicht an die Euro-Länder appellieren, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Aber wird die Koalition diesem Anspruch zu Hause gerecht? Der Prüfstein ist der Bundeshaushalt 2012, der diesen Freitag vom Bundestag verabschiedet wird. Darin steigt das Defizit, das mit neuen Schulden gestopft werden muss, von 22 Milliarden Euro in diesem auf 26,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr an. Für die Koalition kein Problem. Sie sieht sich bei der Budgetsanierung weit über Plan. Aus Sicht der Opposition hat Schwarz-Gelb hingegen ihre internationale Glaubwürdigkeit damit verspielt.
Als parteipolitisch unverdächtig dürfen die Experten der Bundesbank gelten. Sie klagen in ihrem neuen Monatsbericht: "Mit dem Bundeshaushalt 2012 ist eine merkliche Abkehr von den Konsolidierungsbeschlüssen vom Juni 2010 verbunden." Damals hatte die Koalition ein Sparpaket von 80 Milliarden Euro angekündigt. Von der Verschiebung der Finanztransaktionssteuer über geringere Erträge aus der Kernbrennstoffsteuer bis hin zur Rückkehr zum vollen Weihnachtsgeld für Beamte - akribisch listen die Banker auf, was alles davon nicht umgesetzt wurde.
Ausgaben steigen um 0,1 Prozent
Im Kern wirft die Bundesbank der Regierung vor, angesichts der in der Hochkonjunktur üppig sprudelnden Steuereinnahmen und sinkender Sozialausgaben die Budgetkonsolidierung zu verzögern. Stattdessen müsste der unerwartete Geldregen genutzt werden, um in unsicheren Krisenzeiten das Defizit schneller abzubauen.
Diesen Schuh ziehen sich Union und FDP nicht an. Die Koalition verweist darauf, dass die Ausgaben 2012 mit 306 Milliarden Euro gerade einmal um 0,1 Prozent steigen. Beim Defizit dürfe man außerdem nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Die 2012 geplanten 26,1 Milliarden Euro neuer Kredite müssten an den Planungen für 2011 gemessen werden. Diese lagen bei 48,4 Milliarden Euro - dank der guten Konjunktur werden davon wohl nur 22 Milliarden Euro benötigt. Nach Lesart der Koalition hat sich also die Neuverschuldung etwa halbiert, nach der der Opposition steigt sie dagegen 2012 wieder um vier Milliarden Euro an.
Ein weiteres Argument führt die Koalition an: Gemäß der Schuldenbremse im Grundgesetz dürfte der Bund 2012 sogar neue Schulden von über 40 Milliarden Euro machen - und tut es nicht. Der Haushalt übererfülle also die Konsolidierungserfordernisse. Die Opposition hält dagegen, die Koalition habe die Schuldenbremse von Anfang an so aufgeweicht, dass sie der Regierung viel mehr Luft nach oben lasse, als richtig wäre.
Streit in der Parlamentsdebatte
Der Parteienstreit wird die gesamte am Dienstag beginnende, viertägige Parlamentsdebatte durchziehen. Doch am Ende kommt es nicht darauf an, wer wie viel recht hat, sondern welches Signal Deutschland in der Schuldenkrise an Partner und Märkte sendet.
Die Bundesbank argumentiert an dieser Stelle bestechend klar: Der in Jahrzehnten aufgehäufte deutsche Schuldenberg hat mit über zwei Billionen Euro eine Höhe von über 80 Prozent der jährlichen deutschen Wirtschaftsleistung. Das ist besser als in den allermeisten anderen Euro-Ländern, liegt aber weit über dem in der EU erlaubten Referenzwert von 60 Prozent des BIP. "Hier ist zügiger Abbau geboten", fordern die Stabilitätswächter: "Damit könnte zugleich der Gefahr begegnet werden, dass bei weiteren Belastungen das Vertrauen in die Tragfähigkeit auch der deutschen Staatsfinanzen verloren geht." Was passiert, wenn es verloren geht, zeigt sich gerade in Italien und Spanien. Ein steigendes Defizit in Deutschland passt nicht zur Krise. (rtr)