Berlin. Die Kritik an der Rolle des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung der rechtsextremistischen Mordserie wächst. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Thomas Oppermann, äußerte im Zusammenhang mit der Mordserie erhebliche Zweifel an der Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes.

Was wusste der Verfassungsschutz über die rechtsterroristische Zwickauer Zelle, auf deren Konto zehn Morde und mehrere Sprengstoffanschläge gehen sollen? Auf diese zentrale Frage scheinen nur zwei Antworten möglich: "zu wenig" oder "zu viel" - wobei der Geheimdienst in beiden Fällen in einem schlechten Licht dastünde. Denn sollte der Verfassungsschutz keine Ahnung vom Verbleib der lange untergetauchten Terroristen gehabt haben, dann hat er einen schlechten Job gemacht. Waren die Schlapphüte aber dran an der jahrelang unbehelligt gebliebenen "Vereinigung Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), wäre deren Verbrechensserie erst recht ein Skandal.

Die rechtsextreme Gruppe aus Thüringen hatte womöglich noch weitere Unterstützer. "Es gibt Hinweise auf weitere Helfer", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Thomas Oppermann, nach einer Sitzung am Dienstag in Berlin. Mit Rücksicht auf die Ermittlungen könne er jedoch keine weiteren Angaben machen. Der Gruppe haben neben der in Haft sitzenden Beate Zschäpe die beiden tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angehört.

Nach den bisherigen Erkenntnissen soll die rechtsextreme Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) für eine bundesweite Mordserie an acht Türken und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006, dem Mord an einer Heilbronner Polizistin im April 2007 und für einen Sprengstoffanschlag am 9. Juni 2004 in Köln verantwortlich sein. Doch eventuell gehen auf ihr Konto noch weitere Anschläge.

Oppermann äußerte im Zusammenhang mit der Mordserie erhebliche Zweifel an der Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes. Für ihn sei es unbegreiflich, dass diese "auch noch als Scharfmacher in der neonazistischen Szene vom Staat bezahlt werden".

Kritik an Verfassungsschutzbehörden in Thüringen und Hessen

Insbesondere die Landesverfassungsschutzbehörden in Hessen und Thüringen geraten immer stärker in die Kritik. Zur Rolle eines Verbindungsmannes des hessischen Verfassungsschutzes sagte Oppermann, nach dem Stand der damaligen Ermittlungen sei festgestellt worden, dass dieser offenbar am Tatort gewesen sei. Nach eigenen Angaben habe er das Café aber vor der Tat verlassen.

In Thüringen gibt es offenbar noch keine belastbaren Hinweise darauf, dass der Verfassungsschutz enge Kontakte zu den mutmaßlichen Tätern hatte. "Wir können nicht im Einzelnen bewerten im Augenblick, ob es Kontakte vom thüringischen Verfassungsschutz zu den untergetauchten Tätern gegeben hat", sagte Oppermann. Letztlich könne dies nur unter Auswertung der Thüringer Akten geklärt werden. Ausschließen könne man es aber nicht.

Oppermann kündigte zugleich "eigenständige Ermittlungen" an. Defizite sieht der SPD-Politiker vor allem bei den Landesbehörden. "Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir insbesondere vom BKA, aber auch vom Bundesamt für Verfassungsschutz gut informiert worden sind." Die Probleme, die sich andeuteten, lägen derweil in der Kooperation der Landesverfassungsschutzämter mit dem Bundesamt für Verfassungschutz. Diese sei "dringend verbesserungswürdig".

Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags will mögliches Fehlverhalten des Bundesamtes für Verfassungsschutz überprüfen. Dies teilte der FDP-Politiker Hartfrid Wolff nach der Sitzung des Gremiums mit. Einerseits müsse geklärt werden, ob die Behörde angesichts der in verschiedenen Bundesländern verwendeten gleichen Tatwaffe "nicht von sich aus hätte tätig werden müssen". Andererseits sei zu klären, "ob die zuständigen Landesbehörden pflichtgemäß an das Bundesamt berichtet haben". (dapd/rtr/afp)