Berlin. . Jahrelang ermittelte die Polizei vergeblich. Die Serie der „Döner-Morde“ ließ sich nicht aufklären. Plötzlich sollen die Täter gefasst sein. Und nicht nur das: Auch viele andere Verbrechen sollen sie auf dem Gewissen haben. Politiker und Experten zweifeln an der Arbeit der Sicherheitskräfte.

Zwei Verdächtige sind tot, zwei andere sitzen im Gefängnis. Beate Zschäpe und Holger G. wurden dem Haftrichter vorgeführt, gegen beide liegt ein Haftbefehl vor. Innerhalb weniger Tage holen die Ermittler nach, was zehn Jahre lang nicht gelang. Die „Döner-Morde“ sollen plötzlich aufgeklärt sein. Der Heilbronner Polizistenmord und mehrere Bombenanschläge gleich dazu. Das macht misstrauisch.

„Das verwundert schon sehr“, sagt Andre Schulz, Chef der Bundes Deutscher Kriminologen. Er meint das Tempo, in dem sich die Bundesanwaltschaft nach der Explosion des Hauses in Zwickau und der Entdeckung der Leichen der beiden Neonazis zur Gruppierung der Täter festgelegt hat. Kurze Zeit später präsentierten die Beamten zwei Dutzend Aktenordner mit Erkenntnissen über die Täter. „Hier bin ich sehr auf die Ermittlungen, speziell zur Rolle des Verfassungsschutzes, gespannt“, sagt Schulz.

So wie die Motive der Täter und ihre möglichen Hintermänner noch völlig unklar sind, so gibt es auch noch viele Ungereimtheiten, was die Arbeit von Polizei und Nachrichtendiensten angeht.

„Schwachstellen im Verfassungsschutz beseitigen“

Gerade der Verfassungsschutz ist unter Druck geraten. Laut der „Bild“-Zeitung sollen Mitarbeiter des Nachrichtendienstes bei sechs der neun Morde in der Nähe der jeweiligen Tatorte gewesen sein. Wenn sich diese Information bewahrheitet, wäre es ein faustdicker Skandal, wie ihn der Verfassungsschutz in seiner 60-jährigen Geschichte noch nicht erlebt hat.

Experten wie der Kölner Professor und Rechtsextremismus-Forscher Christoph Butterwegge erheben schwere Vorwürfe gegen die Polizei: „Wenn es um Verbrechen aus der rechtsextremen Ecke geht, wird leider gelegentlich nicht mit aller Konsequenz ermittelt“, sagt er.

Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums

Da erscheint es eine logische Konsequenz, dass sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, das die Geheimdienste überwacht, in einer Sondersitzung mit dem Fall und der Rolle der Sicherheitsbehörden befassen will.

Politiker aller Parteien üben scharfe Kritik an den Sicherheitskräften. FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte am Dienstag, die Strukturen der Behörde auf den Prüfstand zu stellen. „Der Schutz der freiheitlichen Grundordnung verlangt, dass mögliche Schwachstellen im System des Verfassungsschutzes schnell gefunden und nachhaltig beseitigt werden“, sagte er. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, verlangte einen besseren Informationsfluss zwischen Bund und Ländern.

V-Leute im Sperrfeuer der Kritik

Die Kritik trifft nicht nur die Sicherheitsdienste selbst, sondern auch ihre Verbindungsleute in die braunen Zellen. „Schräge Vögel“, nennt SPD-Innenexperte Michael Hartmann die V-Leute, die gegen Geld Informationen aus rechten Vereinigungen an Polizei und Geheimdienste spielen. Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele sieht das Konzept der V-Leute skeptisch, „weil die sehr häufig, fast immer, nach wie vor rassistische Ideale haben, rechtsextremes Gedankengut.“

Die SPD erwägt, die Arbeit der Geheimdienste durch einen Untersuchungsausschuss überprüfen zu lassen. „Ich bin immer dafür, wenn sich zeigt, dass ein Untersuchungsausschuss die Wahrheit ans Licht bringen kann“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Dienstag im ZDF-Morgenmagazin. Allerdings sei es jetzt noch zu früh, um über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag zu entscheiden. Zunächst müsse weiter geklärt werden, „ob es überhaupt Bezüge zwischen Fehlleistungen, Nichtleistungen, Irrlichtern einiger Verfassungsschutzämter“ und dem Bund gebe.

„Krimialistische Höchstleistungen“ sind nötig

Unterdessen gehen die Ermittlungen gegen die inhaftierten Rechtsextremen und ihre eventuellen Komplizen und Hinterleute weiter. „Es erfordert nun kriminalistische Höchstleistungen, wenn es die möglichen Verbindungen der Tatkomplexe des Mordes an der Polizistin in Heilbronn, der Mehrfachmorde mit derselben Waffe an acht Türken und einem Griechen und den Raub- und weiteren Straftaten, wie den Anschlägen in Köln und Düsseldorf, der Tätergruppe aus Zwickau zu ermitteln gilt“, sagt der BDK-Bundesvorsitzende André Schulz. (mit dapd, rtr, afp)