Essen. . Die sogenannten Verbindungspersonenen der Strafverfolgungsbehörden haben einen schlechten Ruf – stammen die V-Leute doch häufig genug selbst extremistischen oder kriminellen Milieus an, die mit ihren Informationen bekämpft werden sollen.
Mit einem eleganten grauen Kugelschreiber macht das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz in diesen Tagen Werbung für die eigene Arbeit: „60 Jahre im Dienst der Demokratie“ ist in silberner Schrift aufgedruckt. Dass Verfassungsschützer – vor allem die der Länder – durch die Mordserie der Zwickauer Nazi-Zelle in Misskredit kommen, verhagelt vielen die Jubiläumsfeier. Denn nicht zum ersten Mal sind V-Leute der Sicherheitsbehörden die Ursache massiver Schäden am Image der Verfassungsschützer. Vor allem an der Demokratie.
Was sind V-Leute?
Der Begriff klingt anrüchig und nach Illegalität. Tatsächlich ist ihr Einsatz grundsätzlich legal, ihre Arbeit gesetzlich definiert. In der Richtlinie für Strafverfahren heißt es: „V-Person ist eine Person, die, ohne einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird“.
Die konkreten Einsatzbedingungen sind in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt, die Regelungen für Nordrhein-Westfalen stammen aus dem Jahr 1996 und sind vom Landesinnen- wie vom Landesjustizminister genehmigt.
Wer beschäftigt V-Leute?
Polizei, Zoll und die Geheimdienste, vor allem die Ämter für Verfassungsschutz beim Bund und bei den 16 Ländern. V-Leute berichten nicht nur aus politisch extremistischen Organisationen, denen sie in den meisten Fällen selbst angehören (müssen). Den meisten Gewinn haben die Strafverfolger, wenn es ihnen gelungen ist, ständige Informanten im Drogen- und im Rotlichtmilieu zu platzieren. Erfolge im Kampf gegen die organisierte Kriminalität sind oft ausschließlich auf Hinweise der V-Leute zurückzuführen.
Wie viele V-Leute gibt es?
Keiner weiß das. Es gibt nicht einmal Schätzungen. Wer einen V-Mann führt, schirmt ihn gegenüber anderen staatlichen Behörden und Verfassungsschutzorganisationen anderer Bundesländer ab. Vor wenigen Jahren stellte sich heraus, dass der Chef der NPD in NRW V-Mann des Bundesamtes, sein Vizevorsitzender im Dienst des Landesamtes war. Die eine Behörde hatte keine Ahnung von der „Personalliste“ der anderen.
Was verdienen V-Leute?
Auch das ist geheim. Angeblich existiert ein Tarif beim Bundeskriminalamt. Aus bekannt gewordenen Daten wird aber klar, dass die Spannbreite groß ist: Den jetzt in Verdacht geratenen V-Leuten im thüringischen „Heimatschutz“ und anderer rechtsextremer Gruppen ist Mitte der neunziger Jahre offenbar mehr als eine Million D-Mark gezahlt worden. Gerade 800 D-Mark soll der Vize der NRW-NPD vom Landesamt für Verfassungsschutz erhalten haben.
Wo liegen die größten Schwächen des V-Einsatzes?
Wo arbeiten die meisten V-Leute?
Islamistische Gruppen sind nur schwer zu unterwandern. Experten glauben, dass die rechte Szene am intensivsten ausgeforscht wird, allerdings weniger durch eigene Verfassungsschutzleute als viel mehr durch Aktivisten. Es sei dort recht einfach, man müsse nur die groben Sprüche mitmachen. Peinlich wurde es für den Staat, als er vor acht Jahren die NPD verbieten lassen wollte. Bei der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stellte sich heraus, dass 40 von bundesweit über 300 Vorstandsmitgliedern der Partei von Verfassungsschützern bezahlt wurden. Weil die staatlichen Stellen die Namen geheim hielten, ließen die Rich-ter das Verbotsverfahren platzen.
Der Staat muss sich in nicht wenigen Fällen auf Kriminelle oder Extremisten verlassen. Genauer nachgefragt wird in der Regel nicht, weil das Ziel, an Informationen zu kommen, als wichtiger angesehen wird als der Anspruch auf eine einzelne Strafverfolgung. Die Folge: Die Angeworbenen sind nicht kontrollierbar, obwohl die Richtlinien eine „straffe“ Führung verlangen. Dramatisch wird es, wenn sich der V-Mann an kriminellen Handlungen beteiligt oder gar andere dazu auffordert.
Ist das passiert?
Mehrfach. In Thüringen hat ein Informant offenbar sogar zum Mord aufgerufen. Der spektakulärste Vorwurf in diesem Zusammenhang kommt vom Sohn des 1977 von der RAF getöteten Generalbundesanwalts Siegfried Buback. Michael Buback hat die Terroristin Verena Becker in Verdacht, sie habe bereits als V-Frau von Sicherheitsbehörden gearbeitet, als sie seinen Vater ermordete. Hat der Staat also selbst den Mord an einem seiner höchsten Repräsentanten geduldet oder davon gewusst? Die Verfassungsschutzbehörden streiten dies vehement ab.
Was könnte die Folge der Döner-Mord-Affäre für den Einsatz von V-Leuten sein?
Die Linke fordert den Verzicht auf den Einsatz. Aber schon SPD-Innenminister sehen das anders – wie Reinhold Gall aus Baden-Württemberg, der gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte, es gebe nichts Besseres, als jemanden ganz nah an der Quelle zu haben. Möglicherweise kommt es zu strikterer Zusammenarbeit der Behörden und auch einer Lenkung der V-Leute nach dem Vorbild der gemeinsamen Anti-Terror-Zentrale.