Brüssel. Die Euro-Staaten haben sich auf ein zweites Rettungspaket für Griechenland geeinigt. Dabei sollen die privaten Gläubiger auf Forderungen über insgesamt 100 Milliarden Euro verzichten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Euro-Gipfel in Brüssel.

Nach Verhandlungen bis in die frühen Morgenstunden ist beim Euro-Krisengipfel in Brüssel ein Durchbruch gelungen. Die Staats- und Regierungschefs der Währungsunion einigten sich mit den Banken am Donnerstagmorgen darauf, Griechenland rund die Hälfte seiner Schulden zu erlassen. Zudem soll die Schlagkraft des Euro-Rettungsschirms EFSF auf eine Billion Euro ausgeweitet werden, um eine Ausweitung der Krise zu verhindern.
Der Gipfel habe "ein umfassendes Programm" im Kampf gegen die Schuldenkrise beschlossen, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nach fast zehnstündigen Verhandlungen in Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich "sehr zufrieden" mit den Ergebnissen. Die Welt habe auf das Treffen geschaut. Die Europäer seien den Erwartungen gerecht geworden, sagte sie.

Merkel, Sarkozy und weitere Spitzenpolitiker schalteten sich in die Verhandlungen ein

Knackpunkt waren bis zuletzt die Verhandlungen mit den Banken über einen Schuldenschnitt für Griechenland. Um einen Durchbruch zu ermöglichen, schalteten sich in der Nacht Merkel, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sowie weitere Spitzenpolitiker persönlich in die Verhandlungen ein. Die nun geschlossene Übereinkunft sieht vor, dass die Banken auf rund die Hälfte ihrer Forderungen an Athen verzichten - Sarkozy sprach sogar "von etwas mehr als 50 Prozent". Er bezifferte den Nachlass für Griechenland auf 100 Milliarden Euro.
Ziel sei es, den Schuldenstand des Landes auf 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu drücken, wie Merkel sagte. Auf Grundlage der Vereinbarung mit den Banken wollen auch die Euro-Länder weitere Hilfen für Griechenland geben: Bis zum Jahr 2014 soll Athen nochmals 100 Milliarden geliehen bekommen.

Um sich gegen die Folgen eines Schuldenschnitts bei Griechenland und weitere Turbulenzen abzusichern, sollen die wichtigsten europäischen Banken ihre Risikorücklagen vergrößern. Die EU-Länder beschlossen, dass die Finanzhäuser bis Mitte nächsten Jahres ihre sogenannte Kernkapitalquote auf neun Prozent erhöhen. Dafür brauchen die Banken nach vorläufigen Angaben der Europäischen Bankenaufsicht EBA rund 106 Milliarden Euro. Auf deutsche Banken entfallen dabei 5,2 Milliarden Euro.

Rettungsfonds als Versicherung für die Staatsanleihen

Die Schlagkraft des Euro-Rettungsfonds EFSF soll über einen finanztechnischen Hebel auf eine Billion Euro erhöht werden. Der Rettungsfonds kommt dabei als Versicherung für die Staatsanleihen von bestimmten Euro-Ländern zum Einsatz: Investoren sollen damit geködert werden, dass der EFSF bei einer Pleite eines Landes einen Teil der Verluste übernimmt.
Zudem arbeiten die Euro-Länder an einem zweiten Modell in Form von Sondertöpfen zum Aufkauf von Staatsanleihen, in die auch Staatsfonds investieren können. Deren Beitrag wird erst nach weiteren Gesprächen in einigen Wochen feststehen. Sarkozy befürwortet Regierungskreisen zufolge, dass dabei auch Hilfe aus China angenommen wird.
Der Gipfel begrüßte den Willen Italiens, mit Reformen gegen seinen hohen Schuldenstand vorzugehen, wie Van Rompuy sagte. Die "ehrgeizigen Maßnahmen" müssten jetzt aber auch umgesetzt werden. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi war beim letzten Gipfel am Sonntag wegen der hohen Staatschulden Roms massiv unter Druck geraten.
Merkel und Sarkozy hatten ihn aufgefordert, einen glaubwürdigen Sparkurs einzuschlagen. Dies brachte die Koalition in Rom an den Rand eines Bruchs. In schwierigen Verhandlungen gelang schließlich ein Kompromiss. Die Bundesregierung wies die Darstellung Berlusconis zurück, Merkel habe sich für ihr Verhalten am Sonntag entschuldigt. (afp/rtr)