Essen. . Bei „Hart aber fair“ wollte Frank Plasberg über die Wut der Bürger auf die Banken reden und den Rettungsschirm erklären. Stattdessen tauschten Politiker Worthülsen aus und der Zuschauer blieb ratlos. Heiner Geißler empfahl sich als CDU-Kanzlerkandidat.

Dass es ein schwieriges Thema ist, das er sich da vorgenommen hatte, wusste „Hart-aber-fair“-Moderator Frank Plasberg schon vor der Sendung. Dementsprechend fing er mit leichter Kost an, für jeden nachvollziehbar: „Für Tante Merkel hat Papa Sarkozy mehr Zeit als für Töchterchen Giulia. Dann aber war es mit der seichten Unterhaltung am Montagabend schon vorbei. „Bürger gegen Banken: Wut und Angst im Euroland“ hieß die Sendung. Herauskam ein Parforceritt durch die Krise(n).

Plasberg selbst bemühte sich um einfache Worte, sprach von „aufgepusteten Rettungsschirmen“ und erklärte gleich mehrfach, dass eine Billion Euro immerhin 1000 Milliarden Euro seien. Seine Gäste zeigten sich davon ungerührt und warfen mit Warentermingeschäften, Credit Default Swaps und Basel III um sich – um nur eine kleine Auswahl des Fachvokabulars zu nennen.

Hannelore Kraft gibt sich bürgernah

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nutzte die Chance. Als gefühlt 853. Politikerin gestand sie, die komplizierten Finanzprodukte nicht zu verstehen oder zumindest nicht verstanden zu haben. Und das, obwohl sie als gelernte Bankkauffrau und studierte Ökonomin doch eigentlich vom Fach sei. Das vermittelt Bürgernähe in Zeiten, da Politiker in anderen Sphären zu schweben scheinen. Fehlen noch die Selbstzweifel? „Natürlich ist die Politik mitschuldig“, bekannte Kraft. Viel zu lange habe man zugeschaut, wie sich der Finanzsektor ungezügelt ausgebreitet habe. Selbst als die Krise 2008 ausbrach, hätte „die Politik“ nicht reagiert. Nun also soll die Zeit gekommen sein, die Finanzhaie zu jagen: „Wann gehen wir Hedgefonds an? Wann verbieten wir Leerverkäufe?“, fragte Kraft fordernd und erntete den Applaus.

Derartige Kritik am ungehinderten Fluss des Kapitalismus ließ den zweiten aktiven Politiker der Runde, FDP-Haushaltspolitiker Hermann Otto Solms, nicht kalt: „Das haben wir doch alles längst gemacht.“ Dass Europa und der Euro dennoch in der Krise sind, daran sind aus Sicht des Liberalen die anderen Schuld: Griechenland habe über seine Verhältnisse gelebt, Großbritannien weigere sich, seine Finanzmärkte zu zähmen.

Zunehmend gereizt verteidigte Solms sich und die Bundesregierung gegen die Angriffe von SPD-Frau Kraft und suchte sein Heil in der betonten Ausweglosigkeit: „Wir könnten Griechenland den Euro wegnehmen – das will aber keiner. Wir könnten die Schulden der europäischen Länder vergemeinschaften. Das will aber auch keiner. Deshalb müssen wir den Weg zu einer Stabilitätsunion auf uns nehmen.“

Der einzige Banker kommt glimpflich weg

Am meisten dürfte ihn gewurmt haben, dass der Großteil der Fundamentalkritik von Hannelore Kraft ihm galt und nicht dem einzigen Banker in der Runde. Ex-Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter kam glimpflich weg. Aber schließlich ist Walter auch seit über zwei Jahren raus aus dem Geschäft. Zudem hatte sich damals als guter Verlierer erwiesen und nach öffentlicher Kritik auf einen Teil der ihm zustehenden Millionen-Abfindung verzichtet. Vielleicht stimmte das die linken Kritiker milde.

Den Beweis, aus Fehlern gelernt zu haben – gerade das Investmentbanking hatte seinem Institut einen Milliardenverlust und die Beinahe-Pleite eingebracht – blieb Banker Walter allerdings schuldig. Die Idee, man müsse Banken pleite gehen lassen, schien ihm geradezu abwegig. Viel zu sehr seien die Banken untereinander verschuldet. Er sehe da eine „riesige Ansteckungsgefahr“.

CDU-Mann Heiner Geißler macht den Steinbrück

Viel Aufregungspotenzial für den ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler: „Kriminelle Machenschaften“ unterstellte er den Bankern und forderte vehement eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken. Kein Aspekt war für Attac-Mitglied Geißler zu komplex, um ihn nicht in einfachste Worte zu kleiden. Für differenzierte Ansichten blieb da kein Raum.

Dass Geißler sich dabei immer wieder in seiner eigenen Unlogik verhedderte, schien niemanden zu stören. Warentermingeschäfte, bei denen Investoren auf steigende oder fallende zukünftige Preise für Güter wie beispielsweise Getreide setzten, nutzten nur Spekulanten, sagte Geißler. Um direkt nachzuschieben: „Natürlich sind diese Geschäfte prinzipiell in Ordnung. Sie garantieren den Landwirten stabile Preise für ihre Güter“ Ja, was denn nun? Doch Geißler war noch nicht fertig: „Solche Geschäfte haben die Armut in den Favelas in Brasilien deutlich verschärft.“

Wortgewaltig philosophierte er minutenlang über die Ursachen der Krise. Keiner der Diskutanten wagte es, den Alt-Politiker zu unterbrechen. Erst als Geißler die Folgejahre des ersten Weltkriegs heranzog, um die drohende Inflation zu thematisieren, wagte Moderator Plasberg, ihn zu unterbrechen. Dabei legte Geißler eine staatsmännische Attitüde an den Tag, wie man sie dieser Tage nur noch von Peer Steinbrück kennt. Wenn klare Worte und eine möglichst große Distanzierung von der eigenen Partei für die Kanzlerkandidatur reichen, sollte sich Angela Merkel warm anziehen.

Geballte Meinungsstärke trifft auch Argumentationsschwäche

Geballte Meinungsstärke stößt auf offenkundige Argumentationsschwäche: Das war das Prinzip dieser Ausgabe von „Hart aber fair“. Gut für alle Beteiligten, dass sie sich, als es um die richtig schwierigen Themen wie den Hebel für den Euro-Rettungsschirm ging, so oft ins Wort fielen, dass kaum ein Wort zu verstehen war.

Der einzige, der wenigstens versuchte, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, war ARD-Börsenexperte Frank Lehmann. Obwohl er seit knapp fünf Jahren nicht mehr von der Frankfurter Börse für die ARD berichtet, gelang es ihm zu großen Teilen, die Risiken der Krise aufzuzeigen. Und das ohne dabei unnötig zu dramatisieren. „Den Deutschen geht es gut. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll, die Kassen prall gefüllt. Trotzdem sind wir in der Krise – eine paradoxe Situation.“

Es ehrt Frank Plasberg, sich in seiner Talkshow an einem komplexen Thema zu versuchen. Doch auch der Moderator erwischte einen schwachen Abend. Nicht nur ließ er seine Gäste zu lange reden, es fehlten auch die scharfen Fragen und die einordnenden Bemerkungen. Falls Plasberg seinen Zuschauern zeigen wollte, dass es auf die Fragen der Krise keine einfachen Antworten gibt, hat es geklappt. Wer dagegen wirklich verstehen wollte, vor welchen Problemen Deutsche und Europäer stehen, dem wäre mit einer Dokumentation mehr geholfen gewesen. (we)