Berlin. Die Profis im Auswärtigen Amt machen ihre Minister für das internationale Parkett fit. Auch den Neuling Guido Westerwelle. Dem wird eher ein forscher Zungenschlag als der im diplomatischen Gewerbe übliche dezente Stil nachgesagt. Nun soll aus ihm "ein sprechfähiger Minister" gemacht werden.
Am Globus im Quai d'Orsay, dem Prachtbau des Außenministeriums in Paris, erklärte Bernard Kouchner dem Neuen die veränderte Welt. Der beschreitet derzeit voller Staunen die roten Teppiche, die sie ihm bei seinen Antrittsvisiten ausgerollt haben und sucht im Schnellkurs die Rolle des Staatsmannes zu verinnerlichen.
Sein Büro im Auswärtigen Amt (AA), dem „1000-Augen-Haus” am Werderschen Markt, wo einst das ZK der SED tagte, hat Guido Westerwelle noch kaum betreten. Aber das „Amt”, wie es die Bediensteten nennen, spurt geräuschlos und effizient, um den Minister auf dem ungewohnten internationalen Parkett passabel aussehen zu lassen. Dossiers und Sprechzettel haben sie in Fülle produziert, damit er nicht ausrutscht.
"Noch aus jedem einen sprechfähgien Minister gemacht"
Natürlich haben etliche der Profis gestöhnt, einen ausgedienten Spaßpolitiker wie Westerwelle, dem eher ein forscher Zungenschlag als der im diplomatischen Gewerbe übliche dezente Stil nachgesagt wird, zum Chef ihrer Elitebehörde zu bekommen. Doch „wir haben noch aus jedem einen sprechfähigen Minister gemacht", spottet ein Abteilungsleiter, „wir sind jederzeit in der Lage, Herrn Westerwelle von 0 auf 100 zu bringen".
In der Tat kann die Kaderschmiede für Staatsmänner auf beachtliche Erfolge verweisen: Hans-Dietrich Genscher, der anfangs einen Bordeaux nicht von einem Portwein zu unterscheiden vermochte, wurde zum AA-Chef mit den meisten Dienstjahren – es wurden schließlich 18.
Am Ende „war Genscher das Amt”, sagt Ex-Staatssekretär Jürgen Chrobog. Dem Korpsgeist der Diplomaten fügte sich auch der rechthaberische Klaus Kinkel, der schon mal ungestüm mit Akten um sich warf. Nach ihm lernte der streitlustige Joschka Fischer die ihm von Schröder zugewiesene Kellnerrolle zu überhöhen, auch wenn er sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine blutige Nase holte, als er den USA gegen den Rat seiner Beamten deren Anspruch auf den nuklearen Erstschlag abtrotzen wollte.
Westerwelle will dritten Staatssekretär
Dem gewieften und beliebten Administrator Frank-Walter Steinmeier schließlich erschlossen seine Einflüsterer im Planungsstab das neue Feld der „Energieaußenpolitik”, um neben der brillierenden Kanzlerin bestehen zu können. Ach ja, die Konkurrenz der die Gipfelkonferenzen dominierenden Angela Merkel! Und dazu der versierte Jungstar zu Guttenberg im Wehrressort! Der FDP-Koalitionär will deshalb einen dritten Staatssekretär, der das Amt zu einer Vizekanzlerbastion ausbauen soll – wie zu Genschers besten Zeiten.
Erst einmal zollte Frischling Westerwelle seinen 7000 professionellen Gehilfen bei der Amtsübergabe brav Respekt: Eine „große Ehre” widerfahre ihm, „mit den besten Frauen und Männern, die für Deutschland arbeiten, künftig zusammenarbeiten zu dürfen”. Er wird sich daran erinnern, dass er mit großer Geste die „Kontinuität” der Außenpolitik, die zum „wertvollsten Inventar unserer Republik zählt”, beschworen hat. Denn das „Amt” wird Sorge tragen, dass dies so bleibt: „Es gibt keine grüne, keine rote, keine liberale, sondern nur eine deutsche Außenpolitik”, sagt ein Spitzendiplomat belehrend.
Westerwelles Staatsminister Werner Hoyer beeilt sich vorsorglich zu versichern, der Neue werde allenfalls „sanft umsteuern”, keinesfalls eine Blutspur kreieren. Deutschland aber laufe Gefahr, „mehr oder weniger irrelevant” zu werden, weil es zu wenig „global mitzudenken” verstehe. Also wird der neue Außenminister diese Woche in Washington die nukleare Abrüstung anmahnen und verlangen, dass die USA ihre noch in der Eifel verbliebenen 30 Atomsprengköpfe abziehen.
Weimarer Dreieck
Präsident Obamas „Global Zero”-Vision zu unterstützen, dazu hat Westerwelles politischer Ziehvater Genscher dringend geraten. Der sucht zwar seine Einflüsterungen herunter zu spielen. Doch empfohlen hat der Uralt-Liberale seinem politischen Erbe schon, er möge die Beziehungen zu den kleinen Staaten in Europa pflegen und das Weimarer Dreieck mit Polen und Frankreich wieder wach küssen. Mal sehen, ob's klappt.