Kassel. Bundessozialgericht warnt vor Gerechtigkeitsproblemen bei Hartz IV. Erhöht die Bundesregierung das Schonvermögen, betrifft das nur diejenigen, die die private Altersvorsorge vor dem Antrag auf Arbeitslosgengeld II eingerichtet haben. Halb Deutschland hält Hartz IV-Sätze für zu niedrig.

Das Bundessozialgericht warnt angesichts der Pläne der schwarz-gelben Koalition vor einem zunehmenden «Gerechtigkeitsproblem» bei «Hartz IV». Schon heute empfänden es viele Arbeitslose als ungerecht, dass sie außerordentliche Einkünfte aus Erbschaften oder Abfindungen nicht für ihre Altersvorsorge nutzen dürften, sagte der Vorsitzende des für «Hartz-IV»-Streits zuständigen 14. Senats, Peter Udsching, am Mittwoch bei einer Verhandlung vor dem Kasseler Gericht: «Dieses Problem wird wachsen, wenn die neue Bundesregierung ihre Ankündigung wahr macht und die Freibeträge erhöht.»

Bislang dürfen Empfänger von Arbeitslosengeld II pro Lebensjahr bis zu 250 Euro fürs Alter zurückgelegt haben - zusätzlich zu einer eventuellen Riester-Rente. In den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen wurde eine Verdreifachung dieses Schonvermögens, das vor einem «Hartz-IV»-Bezug nicht angetastet werden muss, auf 750 Euro pro Lebensjahr beschlossen. Allerdings gelten diese Freibeträge immer nur für eine private Altersvorsorge, die schon vor dem Antrag auf Arbeitslosengeld II eingerichtet wurde. Wer erst danach an das nötige Geld kommt, muss es dagegen für den Lebensunterhalt ausgeben.

Großmutters Lebensversicherung

Im verhandelten Fall hatte ein «Hartz-IV»-Empfänger aus dem Landkreis Göttingen rund 10.700 Euro aus der Lebensversicherung seiner gestorbenen Großmutter bekommen. Den Großteil dieses Erbes wollte er für eine eigene Lebensversicherung einsetzen. Das Jobcenter verlangte jedoch, dass er den Versicherungsvertrag widerrufen sollte, und strich ihm die Hilfsleistungen. Statt von «Hartz IV» könne er während der kommenden zwölf Monate von dem Erbe leben.

Ob das rechtmäßig war, ließen Deutschlands oberste Sozialrichter offen. Sie verwiesen das Verfahren zurück ans niedersächsische Landesozialgericht in Celle, weil unter anderem das Todesdatum der Großmutter noch nicht geklärt war. Möglicherweise war die Frau noch vor dem «Hartz-IV»-Antrag ihres Enkels gestorben - und dann könnte das hinterlassene Geld bei ihm doch als geschütztes Vermögen eingestuft werden (Az. B 14 AS 62/08 R).

Halb Deutschland hält Hartz IV-Sätze für zu niedrig

Knapp die Hälfte der Bundesbürger hält die Hartz-IV-Sätze für zu niedrig. Laut einer Forsa-Umfrage für den «Stern» sind 48 Prozent der Bundesbürger dieser Ansicht. 28 Prozent der Befragten finden die Hartz-IV-Sätze gerade angemessen, sieben Prozent halten sie für zu hoch. Besonders die Anhänger der SPD (56 Prozent), der Grünen (59 Prozent) und der Linkspartei (60 Prozent) meinen, dass Hartz-IV-Empfänger zu wenig erhalten. (ddp/ap)