Brüssel. . Deutschland und Frankreich haben einen weiteren Euro-Gipfel beschlossen: Offensichtlich reicht die Zeit an diesem Wochenende nicht aus, um die Pläne zur Rettung des Euros voranzutreiben. Die beiden Länder sind in zentralen Punkten uneinig.
Ein Kontinent steht unter Stress: Seit mehr als anderthalb Jahren lässt die Schuldenkrise der europäischen Politik keine Zeit zum Durchatmen. Inzwischen vergeht kaum ein Tag ohne Proteste gegen Banken oder Sparpolitik, ohne schlechte Nachrichten für Griechenland, die Börsen oder die europäische Wirtschaft. „Wir befinden uns in einem einschneidenden Augenblick, entscheidend für die Zukunft des Euro und die Zukunft Europas“, ist sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sicher. Nicht nur der Portugiese hofft, dass Krisenberatungen in Brüssel am Wochenende die Wende bringen.
Diese starten am Freitag mit einem Treffen der Euro-Finanzminister, der mit Spannung erwartete Höhepunkt ist ein Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am Sonntag. Doch im Vorfeld überschlagen sich die Ereignisse, ein umfassender Gipfelbeschluss ist inzwischen unwahrscheinlich. Grund sind anhaltende Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden wichtigsten Euro-Ländern: Deutschland und Frankreich.
Weiterer Gipfel beschlossen
Weil sie bis Sonntag nicht fertig werden, wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone am nächsten Mittwoch zu einem weiteren Gipfel treffen. Dabei sollen die Beschlüsse zur Eindämmung der Schuldenkrise dann gefasst werden. Das gab der Élysée-Palast am Donnerstagabend nach einem Telefonat von Staatschef Nicolas Sarkozy mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt. Bereits am (morgigen) Freitag treffen sich in Brüssel die Finanzminister der Euroländer, um den ersten Gipfel am Sonntag vorzubereiten.
Laut Élysée-Palast sind sich Merkel und Sarkozy „vollständig einig“, eine globale und ehrgeizige Antwort auf die Euro-Krise zu geben. Doch bis zum Donnerstagabend wurde heftig darüber gestritten, wie der Rettungsfonds EFSF mehr Feuerkraft erhalten kann.
Finanzhebel ist notwendig für neues Griechenland-Paket
Der Finanzhebel ist notwendig, damit ein neues Griechenland-Paket geschnürt und die Ansteckungsgefahr auf andere Länder wie Italien, Spanien oder Frankreich selbst eingedämmt werden kann. Die von Paris favorisierte Lösung geht Berlin laut Unterhändlern zu weit. Wegen der ungeklärten Fragen hatte Merkel ihre für Freitag geplante Regierungserklärung am Donnerstag kurzfristig abgesagt.
Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy flog für Krisenberatungen am Mittwoch sogar überstürzt nach Frankfurt am Main - obwohl sich seine hochschwangere Frau Carla Bruni-Sarkozy gerade in der Pariser Klinik La Muette befand, um das erste gemeinsame Kind des Präsidentenpaares zur Welt zu bringen. Das Mädchen wurde geboren, während der Vater bis in die Abendstunden in der deutschen Finanzmetropole mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um die Euro-Rettung stritt, offenbar ohne einen Durchbruch zu erzielen.
Börsen stürzten ab
Umgehend rutschten am Morgen die Börsen in Frankfurt, Paris und London ins Minus und Barroso richtete einen flammenden Appell an Deutschland und Frankreich, jedoch ohne sie beim Namen zu nennen: „Europa braucht Kompromiss-Bewusstsein“, forderte der Portugiese. „Wenn ein Punkt wichtiger ist als alle anderen, dann ist das die Notwendigkeit, die Brandschutzmauer zu stärken.“
Doch um diese Brandschutzmauer hat sich ein Streit entwickelt, der in Brüssel für Beunruhigung sorgt. Es geht um die Frage, wie die Schlagkraft der Mittel im Euro-Rettungsfonds gestärkt werden kann, um ein Übergreifen der Krise auf Italien und Spanien zu verhindern, ohne dass die Euro-Länder weitere Milliarden als Garantien zusagen müssen. Frankreich will dem Fonds eine Banklizenz verleihen, damit dieser sich für seine Rettungsmaßnahmen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) bedienen kann. Das lehnt neben der EZB auch Merkel strikt ab. Nachdem bereits über eine Absage des Gipfels spekuliert wurde, hieß es später aus Berliner Koalitionskreisen, dass es dort wohl keine Einigung über den „Hebeltrick“ geben werde.
Deutschland will Banken bluten lassen
Weitere Knackpunkte sind eine höhere Beteiligung der Banken an der Griechenland-Rettung sowie Kapitalspritzen für Finanzinstitute in Schwierigkeiten. Die Banken sollen nach dem Willen Deutschlands auf mehr nach Athen verliehenes Geld verzichten als bisher vereinbart, von 50 Prozent ist die Rede. Weil dadurch aber französische Finanzinstitute in Schwierigkeiten geraten können, stellt sich in diesem Punkt Sarkozy stur. Angesichts der vielen Probleme sagte Merkel eine für Freitag geplante Regierungserklärung zum Gipfel ab.
Zur Nebensache wird dabei, dass Merkel auch einen Umbau der Euro-Finanzarchitektur vorantreiben will, um kommende Krisen zu verhindern. Dabei sind für die Kanzlerin auch „Vertragsveränderungen kein Tabu“, obwohl sich die EU erst vor zwei Jahren eine neue Vertragsgrundlage gegeben hat. Doch die größte Sorge gilt zunächst der Herausforderung, für die drängenden Fragen eine dauerhafte Lösung zu finden. Denn kaum hatten sich die Euro-Länder in den vergangenen Monaten zusammengefunden, um eine Gefahr für ihre Währung abzuwehren, zeigte sich die nächste offene Flanke.