Langenberg. . Der Ex-Finanzminister und frühere NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück sprach in der VG über „Europa im neuen globalen Machtgefüge“.

„Der Wohlstand dieser Welt wird neu verteilt. Und dabei ist es nicht selbstverständlich, dass Deutschland am Ende dieses Jahrzehnts weiterhin in der Champions League spielt.“ Die Zeiten der europäisch-amerikanischen Dominanz sind aus Sicht von Peer Steinbrück endgültig vorbei. Und für Deutschland könne es nur den Weg zu „mehr Europa“ geben, wolle das Land seinen heutigen Wohlstand erhalten, sagte der frühere Bundesfinanzminister bei einem Besuch in der Vereinigten Gesellschaft.

Direktor Arno Schreiner hieß dort gut 140 Gäste willkommen, die gekommen waren, um den früheren Bundesfinanzminister zum Thema „Europa in einem neuen globalen Machtgefüge“ zu hören. Und in Zeiten dieser globalen Veränderungen befindet sich Europa aus Sicht des Gastredners „nicht in Bestform“.

„Wir stehen an einem Scheideweg“, sagte Steinbrück. Es gehe um die Frage, ob Deutschland solidarisch für Europa einstehe oder ob eine Phase der Renationalisierung beginne. Das aber könne, verbunden mit einer Aufgabe des Euro, für Deutschland fatale Folgen habe. Das Land erwirtschafte seinen Wohlstand zu 40 bis 45 Prozent aus dem Export. Und der Anteil der Warenlieferungen an europäische Länder mache dabei 60 Prozent aus. Steinbrück bringt das zu dem Schluss: „Deutschland wird seine Position nur in und mit Europa festigen können.“ Ein Zurück zur nationalen Währung würde dazu führen, „dass die D-Mark aufgewertet wird bis zum Mond“. Deutsche Produkte würden dadurch im Ausland nahezu unbezahlbar. Die Folgen wären nicht nur ein ökonomischer Sturm: „Das wird überspringen auf die Gesellschaft.“

Auf Nachfragen machte Steinbrück deutlich, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein dürfe, die verschuldeten Staaten müssten Gegenleistungen erbringen, alte Fehler abstellen. Aber sie müssten auch eine konkrete Entlastung erfahren. Steinbrück hält einen Schuldenschnitt für Griechenland für unerlässlich, damit das Land „wieder Wind unter die Flügel“ bekomme. Ein Großteil zumindest der deutschen Banken hat aus seiner Sicht ohnehin schon Wertberichtigungen vorgenommen. Die Banken jedenfalls, das macht Steinbrück deutlich, müssen nach den Prinzipien der Marktwirtschaft an den Kosten beteiligt werden. Das dürfe nicht allein zu Lasten der Steuerzahler gehen. Deutschland habe in 20 Jahren nach der Wiedervereinigung Jahr für Jahr 100 Milliarden von West nach Ost transferiert. „Und Europa soll uns für einige Jahre nicht ein Zehntel davon wert sein?“ fragte Steinbrück in die Runde.

Die Wiedervereinigung selbst sei schließlich nur durch die vorherige europäische Integration möglich geworden. „Heute lebt die erste Generation, die nicht in einem europäischen Krieg verheizt worden ist“, sagte Steinbrück. „Das ist ein Ausnahmezustand der europäischen Geschichte“, den es zu bewahren gelte. Der SPD-Politiker: „Europa ist die Antwort sowohl auf 1945 als auch auf das 21. Jahrhundert.“