Essen. . Die Regierung streitet weiter über das Betreuungsgeld. Erfahrungen in Norwegen bestätigen die Kritiker. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur umstrittenen „Herdprämie“ für Eltern, die ihre kleinen Kinder nicht in eine Krippe geben.
Die einen halten es für eine Rolle rückwärts in die 50er Jahre, als die Alleinverdiener-Familie noch die Gesellschaft prägte. Andere finden es einfach nur gerecht, Geld zu bekommen, um das Kind zu Hause zu erziehen: Das Betreuungsgeld sorgt derzeit für jede Menge Krach in der schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel.
Wer soll das Betreuungsgeld bekommen?
Alle Eltern, die nach Ablauf des Elterngeldes ihr Kind nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagesstätte schicken oder es nicht von einer Tagesmutter betreuen lassen.
Wie viel soll wie lange gezahlt werden?
Laut Koalitionsvertrag soll im zweiten und dritten Lebensjahr des Kindes 150 Euro im Monat gezahlt werden. Familienministerin Kristina Schröder will aber das Betreuungsgeld auf das zweite Lebensjahr begrenzen. Für die CSU ist dies unhaltbar: Sie verlangt die Zahlung bis zum Eintritt in den Regelkindergarten mit drei Jahren.
Warum soll Betreuungsgeld eingeführt werden?
Ab 2013 haben Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Für den dafür nötigen Ausbau der Kinderbetreuung sind zwölf Milliarden Euro veranschlagt. Das Betreuungsgeld soll ein Ausgleich sein für Eltern, die mit ihren Steuergeldern den Ausbau der Unter-Drei-Betreuung finanzieren, aber nicht davon profitieren, weil sie davon überzeugt sind, dass ihr Kind zu Hause besser betreut wird.
Muss ein Elternteil zwangsläufig auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, um Betreuungsgeld zu bekommen?
Nein. Voraussetzung ist lediglich, dass das Kind nicht in der Kita betreut wird oder zu einer offiziellen Tagesmutter geht. Wenn die Oma auf das Kind aufpasst und beide Eltern arbeiten, profitieren sie trotzdem von der geplanten neuen Familienleistung.
Und wenn die gut situierte Doppelverdiener-Familie eine Kinderfrau engagiert oder den privaten Kindergarten bucht?
Eben das ist nicht in der Koalitionsvereinbarung geklärt. Deshalb könnten gerade Eltern mit Spitzenjobs profitieren, indem sie einen Teil ihrer Kosten mit dem Betreuungsgeld erstattet bekommen, während etwa eine Alleinerziehende allein die teilweise hohen Krippengebühren stemmen muss. Laut Familienministerium arbeitet Ministerin Schröder daran, diesen Effekt zu verhindern. Wie, ist aber völlig unklar.
Warum wehren sich gerade die Sozialverbände gegen das Betreuungsgeld?
Kinder aus sozial schwachen Familien werden oft nicht genügend gefördert, weil Eltern sowohl Wissen als auch die finanziellen Möglichkeiten fehlen. Experten halten daher den Krippenbesuch für diese Kinder für sinnvoll. Auch Migrantenkinder könnten profitieren, wenn sie möglichst früh in die Krippe integriert werden. Sozialexperten befürchten allerdings, das Betreuungsgeld könnte ein Anreiz sein, gerade die sozial schwachen Kinder zu Hause zu lassen. Deswegen wird immer wieder eine Gutschein-Lösung statt Auszahlung ins Spiel gebracht.
Gibt es im benachbarten Ausland Betreuungsgeld?
Norwegen hat 1998 ein Betreuungsgeld eingeführt – dort zeigt sich, dass die Befürchtungen der Sozialexperten begründet sind: Laut Arni Hole, Generaldirektorin im norwegischen Kinder- und Gleichstellungsministerium, nehmen vor allem Unterschichts- und Einwanderfamilien das Betreuungsgeld an und verzichten auf den Kindergartenbesuch. Außerdem wird das Betreuungsgeld für den Rückgang der Frauen-Erwerbstätigkeit verantwortlich gemacht.
Was sagt die Politik?
Eigentlich sind nur die Stimmen aus der CSU für das als „Herdprämie“ kritisierte Betreuungsgeld. Die CDU ist gespalten, die FDP dagegen, obwohl sie sich 2009 im Koalitionsvertrag mit der Union darauf verständigt hat. Die Kanzlerin will eben an diesem Koalitionsvertrag nicht rütteln, und nun sucht Kristina Schröder händeringend nach einem Kompromiss, um die Fronten zu befrieden.