Berlin. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach berichtet über extremen Druck, der in der Fraktion auf ihn ausgeübt wurde, weil er den Euro-Rettungsschirm ablehnte. Auch Bundestagspräsident Lammert steht in der Kritik, weil er Abweichlern Rederecht gewährte.

Dem Votum des Bundestags über den Euro-Fonds EFSF hat sich am Freitag eine Debatte über den richtigen Umgang mit parteiinternen Abweichlern angeschlossen. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach erwägt wegen der Kritik an seinem Nein-Votum einen Rückzug aus der Politik, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) stand wegen seiner Sitzungsführung in der Kritik. Das EFSF-Gesetz passierte derweil auch den Bundesrat.

Bosbach beklagte im Rückblick auf die EFSF-Diskussion in seiner Fraktion "Vorwürfe, die tief ins Persönliche gehen". Die Angriffe aus der eigenen Partei seien böse und "unter die Gürtellinie" gegangen, ihm seien als Motiv Karriere-Frust und eine antieuropäische Gesinnung unterstellt worden. Bis vor kurzem habe er noch fest eine neuerliche Kandidatur für den Bundestag bei der Wahl 2013 geplant. "Aber nach der Erfahrung der letzten Wochen bin ich nicht mehr so sicher", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses.

Bosbachs Äußerungen seien von Parteikollegen "mit Erstaunen aufgenommen" worden, hieß es in CDU/CSU-Fraktionskreisen. "Die Fraktion hat ihn eigentlich gut behandelt." Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kritisierte den Umgang der CDU mit den Abweichlern. "Man muss die ganze politische Familie zusammenhalten, darf die Leute nicht ausgrenzen". "Die CDU hat ja schon eine ganze Reihe von Persönlichkeiten verloren" und könne auf Bosbach nicht verzichten: "Ich bedaure extrem, wenn das so eine Entwicklung nimmt."

Lammert in der Kritik

Auch die Entscheidung von Bundestagspräsident Lammert, in der Debatte am Donnerstag den Euro-Abweichlern Frank Schäffler (FDP) und Klaus-Peter Willsch (CDU) eine Extra-Redezeit einzuräumen, sorgte in der Union weiter für Unmut. "Es könnte jetzt eine Flut von Rednerwünschen geben", sagte der CSU-Abgeordnete Norbert Geis. In Fraktionskreisen hieß es, Lammerts Schritt sei "rechtlich zweifelhaft" und mit dem Ältestenrat nicht abgestimmt gewesen. Die Sache sei an den Geschäftsordnung-Ausschuss des Bundestags übergeben worden.

Schäffler nannte die Debatte über das Rederecht "peinlich". Schäffler und Willsch hatten in der Debatte über den erweiterten Euro-Rettungsfonds EFSF von Lammert jeweils fünf Minuten Redezeit zugesprochen bekommen, obwohl sie von ihren eigentlich zuständigen Fraktionen nicht als Redner aufgestellt worden waren. Schäffler findet jedoch bereits die Diskussion über die gewährte Redezeit widersinnig: "Dass man eine Debatte, die außerhalb des Bundestags sehr kontrovers geführt wird, im Parlament selbst nicht führen will, das diskreditiert den Bundestag und damit auch unsere Demokratie." Schäffler forderte eine gründlichere Debatte über die Euro-Rettung: "Der Bundestag ist nicht mehr Ort der Diskussion, sondern nur noch des Verkündens."

Bundesrat gibt grünes Licht

Einen Tag nach dem Bundestag gab am Freitag auch der Bundesrat grünes Licht für die EFSF-Erweiterung. Die Länderkammer ließ das Gesetz nach mehr als dreistündiger Debatte in Berlin passieren. Damit war die letzte parlamentarische Hürde in Deutschland für die EFSF-Erweiterung genommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuvor den Bundesländern zugesichert, sie in künftige Aktionen des EFSF einzubinden. Eine entsprechende Vereinbarung solle "sehr zügig" ausgearbeitet werden.

Bayerns Ministerpräsident Seehofer kündigte im Bundesrat seinen Widerstand gegen jede Form einer erneuten Ausweitung des Euro-Rettungsfonds an. Mit Instrumenten, die "letztlich alle überfordern, wäre niemandem geholfen". Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) meldete Zweifel daran an, dass der EFSF mit der nun geplanten Ausleihfähigkeit von insgesamt 440 Milliarden Euro ausreicht: Die Größe erscheine ihm angesichts der "gigantischen Aufgaben" doch "sehr begrenzt". (afp)