Berlin. . Die Berlin-Wahl kommendes Wochenende könnte für die Piratenpartei zum Meilenstein werden. Die Partei hat gute Chancen, zum ersten Mal in ein Landesparlament einzuziehen. Derzeit liegt sie in Umfragen noch vor der FDP.

Sie sind anders. Oder welche Partei würde sonst einen kiffenden Polizisten in ihrem Werbespot zeigen? Sie wollen nicht nur die Legalisierung von Haschisch, sondern auch freies Internet für alle und den „gläsernen Staat“. Bei der Berlinwahl am 18. September könnte der Piratenpartei zum ersten Mal der Einzug in ein Landesparlament gelingen. In einer aktuellen Umfrage von Infratest dimap für die ARD kommen die Piraten mit 6,5 Prozent sogar auf mehr als doppelt so viele Stimmen wie die FDP.

Entstanden sind die Piraten im September 2006 als Ein-Punkt-Partei, die sich mit Netzpolitik befasste. Inzwischen stellen sie sich breiter auf.

Gegründet haben sie sich nach dem Vorbild der schwedischen “Piratpartiet“. Inzwischen gibt es in Deutschland etwa 12.800 Mitglieder, etwas über 1000 davon in Berlin. Zum Vergleich: Die Berliner FDP hat etwa 3150 Mitglieder.

Rechts-Links-Skala greift nicht

Vorratsdatenspeicherung und andere Anti-Terrorgesetze, die infolge des 11. Septembers eingeführt wurden, waren nach Ansicht des Berliner Spitzenkandidaten, Andreas Baum, ein „Mitgrund“ für die neue Partei. „Das politische Angebot damals war einfach nicht mehr zeitgemäß“, erzählt Baum, ein Pirat der ersten Stunde. „Deshalb haben wir uns dazu entschieden, selbst etwas auf die Beine zu stellen“.

Auf einer Rechts-Links-Skala lassen sich die Piraten nicht einordnen. „Sie haben sich von allen Parteien ein bisschen geholt: soziale, linke und freiheitspolitische Forderungen“, sagt Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin. Auch dem Kandidaten Baum fällt die Einordnung schwer, aber „mit dem Begriff ‚sozial-liberal‘“ könne er gut leben, sagt der 32-Jährige und fügt gleich hinzu, dass auch Umweltpolitik eine Rolle spiele.

Über Wahlprogramm im Internet abgestimmt

In Wahlprogramm fordern sie mehr Transparenz in Politik und Verwaltung, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und die Aufhebung des Vermummungsverbotes für Demonstranten. Sie sind gegen den Ausbau der Berliner Stadtautobahn A 100 und gegen Atomkraft. Sie wollen die direkte Demokratie stärken und mit gutem Beispiel vorangehen. Über das Wahlprogramm haben die Berliner Piraten basisdemokratisch im Internet entschieden.

Von den Mitgliedern einer Netzpartei, die, Professor Niedermayer zufolge, zum weit überwiegenden Teil junge, gebildete Männer sind, vor allem aber sogenannte „digital natives“, also Menschen, die im und mit dem Netz leben, kann man das vielleicht erwarten. Trotzdem haben sich von knapp 1000 Berliner Mitgliedern nur etwa 150 bis 200 an den Diskussionen beteiligt, offenbart Andreas Baum.

Die Piratenpartei möchte weder nur für sozial Benachteiligte noch ausschließlich nur für Besserverdiener eintreten. Sie wollen ein Grundeinkommen, die unentgeltliche Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und freien W-Lan-Zugang für alle in Berlin.

Umfrageergebnisse mobilisieren

Für das Finanzierungsproblem hat Baum schon eine Lösung: „Das Geld soll daher kommen, wo es auch bisher herkommt: aus Steuereinnahmen“, so der „Pirat“. Nur die Prioritäten würde seine Partei anders setzen.

Welche ihrer Forderungen die Piraten als kleine Oppositionspartei tatsächlich umsetzen können, das können die Berlinerinnen und Berliner vielleicht bald erleben. Auch Parteienforscher Niedermayer geht davon aus: „Die letzten Umfrage-Ergebnisse könnten einen Mobilisierungsschub bei den Wählern auslösen“. Damit könnten die Piraten Rückenwind bekommen auf ihrem Weg ins Berliner Parlament und vielleicht auch darüber hinaus.