Berlin. . Generaldebatte zum Haushalt 2012: Für Bundeskanzlerin Angela Merkel war es eine der wichtigsten Reden ihrer Kanzlerschaft. Es ging um den Euro aber auch um die Unterstützung aus den eigenen Reihen. Und Merkel kämpfte.
Die wichtigste Hürde hat Angela Merkel schon vor ihrer Rede genommen. Als die Kanzlerin am Mittwoch früh zur Generaldebatte auf der Regierungsbank im Bundestag Platz nimmt, sieht man ihr die Erleichterung über das kurz vorher verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts an. Merkel reibt sich die Hände, sie streicht energisch in ihrem Redemanuskript herum, flachst mit Vizekanzler Philipp Rösler.
Klar, die Kanzlerin deutet das Urteil als Rückenwind für ihre Art des Krisenmanagements, „absolut bestätigt“ fühlt sie sich - und will die Lage mit einer für ihre Verhältnisse kämpferischen Rede nutzen.
Dumm nur, dass erst der Oppositionsführer dran ist. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier liefert die erwartete Generalabrechnung, mehr routiniert als leidenschaftlich.
Er greift Merkel zwar diesmal nicht direkt an, aus Rücksicht auf den Tod ihres Vaters, für den er gleich zu Beginn tiefes Mitgefühl ausdrückt. Aber Steinmeier wirft Merkels Regierung „Fehlleistungen am Stück“ vor, spricht von einer „katastrophalen Halbzeitbilanz“. In der Euro-Krise werde immer das getan, was die Regierung zunächst blockiert habe - Hilfen für Griechenland, Euro-Rettungsschirm oder europäische Wirtschaftsregierung.
„Scheitert der Euro, scheitert Europa“
Die Koalition sonne sich in guten Wirtschaftsdaten, deren Grundlagen die Vorgängerregierungen gelegt hätten, schimpft der Oppositionsführer. So richtig zündet Steinmeiers Attacke aber auch in der SPD-Fraktion nicht. Merkel nennt seine Rede danach kühl „konfus“. Die guten Wirtschaftsdaten reklamiert sie natürlich umgehend trotzdem für sich. Deutschland sei stärker aus dieser Krise herausgekommen als hineingegangen, damit sei ein zentrales Wahlversprechen erfüllt, sagt Merkel. Aber mit Innenpolitik hält sie sich wenig auf, ausführlicher liefert die Kanzlerin dafür europapolitische Bekenntnisse ab: „Der Euro ist viel, viel mehr als nur eine Währung. Er ist Garant eines einigen Europas“, sagt sie. „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“
Merkel trägt ein schwarzes Kostüm, Zeichen der Trauer um ihren Vater, aber es passt auch ganz gut zum Ernst der Lage. „Wenn wir Europa weiter denken, dann dürfen auch Vertragsänderungen kein Tabu sein, um ein Mehr an Verbindlichkeit zu erreichen“, mahnt sie. Das sind neue Töne von Merkel, die sich in dieser Frage bisher bedeckt hielt.
Langer Beifall aus der Koalition
Ob solche Bekenntnisse genügen, um die Kritiker in den eigenen Reihen zu überzeugen? Dass Merkel ihre Politik viel mehr erklären müsse, haben ihre Parteifreunde immer wieder angemahnt. Aber nach diesem Sommer des Missvergnügens ist die Unruhe in der Koalition groß. Merkel weiß das - und greift zum bewährten Mittel, mit kecken Angriffen auf die Opposition die eigenen Reihen zu schließen. „Verantwortungslosigkeit“ wirft sie SPD und Grünen vor, gibt der früheren Schröder-Regierung Mitschuld an der griechischen Schuldenkrise und klagt über „verfassungswidrige Haushalte“ etwa unter Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen: „Machen Sie dort, wo sie Verantwortung tragen, erstmal ihre Hausaufgaben.“ Die Koalitionäre johlen, drei Minuten lang klatschen die Abgeordneten von Union und FDP demonstrativ Beifall. Merkel ist erleichtert, sie hat ihr Etappenziel erreicht.
Aber die Opposition legt nach: Linke-Fraktionschef Gregor Gysi spricht düster „von einer „weltweiten Krise der Demokratie, weil wir diktatorisch von den Finanzmärkten beherrscht werden.“ Merkel habe bei der Regulierung der internationalen Finanzmärkte versagt. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagt: „Deutschland hat die schwächste Regierung seit Jahrzehnten.“ Die „Kanzlerinnendämmerung“ sei unübersehbar. Merkel plaudert ungerührt auf der Regierungsbank. Es hätte schlimmer kommen können für sie an diesem Tag.