Karlsruhe. Die milliardenschweren Euro-Hilfen Deutschlands sind verfassungsgemäß. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verwarf am Mittwoch mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm.

Deutschlands Beteiligung an den Milliardenhilfen für Griechenland und dem Euro-Rettungsschirm ist rechtens. Dieses Urteil verkündete am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das damit Klagen einer Gruppe von Professoren sowie des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler abwies. Zugleich ordneten die Verfassungshüter aber an, dass dem Bundestag bei künftigen Rettungsaktionen mehr Mitspracherechte eingeräumt werden müssen. (AZ: 2 BvR 987/10 u.a.).

Die Karlsruher Richter gelangten zu dem Schluss, dass die Anfang Mai vom Bundestag gebilligten deutschen Bürgschaften für Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden Euro und auch die kurz darauf beschlossene Beteiligung am Euro-Rettungsschirm mit 123 Milliarden Euro mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der Bundestag habe mit dieser Zustimmung nicht seine eigenen Rechte auf Mitgestaltung des Budgets aufgegeben, wie die Kläger argumentiert hatten. Diese hatten ins Feld geführt, dass die Milliardensummen im Krisenfall die Haushaltsplanungen des Bundestags extrem belasten und ihn damit letztlich seiner Gestaltungsrechte berauben würden.

Milliardenhilfen für den Bundeshaushalt tragbar

Die Verfassungshüter unterstützten dagegen die Auffassung der Bundestagsmehrheit, dass die Milliardenhilfen für den Bundeshaushalt tragbar seien. Der Bundestag habe damit auch nicht den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten. Dies gelte auch für die Erwartung des Parlaments, dass sich bei einem Totalverlust der Kredite der Ausfall über Einnahmesteigerungen, Ausgabenkürzungen und Staatsanleihen kompensieren lasse.

Die Karlsruher Richter verpflichteten die Bundesregierung allerdings dazu, vor allen weiteren Aktionen zur Rettung des Euro die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestags einzuholen. Das Urteil dürfe "nicht fehlgedeutet werden in eine verfassungsrechtliche Blanko-Ermächtigung für weitere Rettungspakete", betonte Verfassungsgerichts-Präsident Andreas Vosskuhle. Der Bundestag müsse die Kontrolle über grundlegende haushaltsrechtliche Entscheidungen behalten und dürfe dieses Recht nicht übertragen. Hilfsmaßnahmen wie das Euro-Rettungspaket müssten "im einzelnen" bewilligt werden. Das Gericht machte Auflagen, die die Beteiligung des Bundestages bei der Gewährung von Bürgschaften an hochverschuldete Euro-Staaten stärken.

Merkel sieht sich bestätigt, Gauweiler das Urteil "mit einem lachenden und einem weinenden Auge"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht ihre Euro-Krisenpolitik durch das Urteil des Bundesverfassungsgericht "absolut bestätigt". Die Richter hätten das Prinzip Eigenverantwortung und Solidarität bei Wahrung von Transparenz und Mitbestimmung des Parlaments betont, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. "Das ist genau der Weg, den wir gegangen sind", fügte sie in ihrer Rede in der Generaldebatte über den Haushalt 2012 hinzu.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, einer der Kläger, sieht das Urteil als Teilerfolg an. Er sagte am Mittwoch nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe: "Ich sehe das Urteil mit einem lachenden und einem weinenden Auge." Das Gericht habe eine "erste dünne Grenze" gezogen, die nicht überschritten werden dürfe. "Das Parlament hat jetzt das letzte Wort, es gibt keine Pauschalermächtigung mehr." Enttäuscht zeigte sich Gauweiler von der Feststellung des Gerichts, die Schuldenbremse im Grundgesetz gelte nur für Schulden und Kredite, nicht jedoch für Bürgschaften.

SPD will bei Euro-Rettung mitbestimmen

Die SPD verlangte nach dem Urteilsspruch, über die künftigen parlamentarischen Verfahren zur Euro-Rettung mitzubestimmen. "Wir erwarten von Ihnen, dass Sie gemeinsam mit uns, mit den Oppositionsfraktionen, nach Lösungen suchen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier an die Adresse der Koalitionsfraktionen. Das sei eine "Bringschuld" von Union und FDP.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte das Urteil. "Das Europa der Parlamente wurde heute gestärkt", erklärte Leutheusser-Schnarrenberger. Es sei ein "guter Tag für den Parlamentarismus". Es sei richtig, die demokratisch gewählten Volksvertreter künftig noch enger in die Entscheidungen zur Eurorettung einzubinden. Leutheusser-Schnarrenberger wertete das Urteil auch als "ein überzeugendes Signal an die Finanzmärkte". Die Entscheidung aus Karlsruhe bestätige die Verfassungsmäßigkeit der von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in den Euro. Die Währungsunion sei nicht nur eine Stabilitäts-, sondern eben auch eine Wertegemeinschaft. "Am inneren Zusammenhalt der Europäischen Union darf bei allen Problemen kein Zweifel bestehen", mahnte die Justizministerin.

Lob von Grünen und EU-Kommission für das Urteil

Auch die Grünen sehen das Urteil positiv. Es sei "eine Niederlage für den D-Mark-Chauvinismus und zugleich eine gute Nachricht für Europa, denn es stellt klar, dass die Griechenlandhilfen und der Euro-Rettungsschirm rechtens sind", kommentierte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

Erleichterung auch bei der EU-Kommission: Die Behörde nehme das Urteil zufrieden zur Kenntnis, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Das Urteil habe bestätigt, dass die Hilfen für Griechenland und der Euro-Rettungsschirm mit der deutschen Verfassung in Einklang stünden. Dieser Umstand habe großen Einfluss auf die Fähigkeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die Schuldenkrise zu überwinden. (afp/dapd)