Berlin. . Regierung und Opposition haben sich bei der Generaldebatte im Bundestag eine hitzige Debatte um die Euro-Rettung geliefert. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). SPD-Chef Gabriel warf ihr vor, verantwortungslos zu handeln.

Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und Gesetzgebung zum Rettungsschirm: Die europäische Schuldenkrise hat die Generaldebatte zum Haushalt im Bundestag in diesem Jahr geprägt. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Einsatz für eine Stabilisierung des Euro betonte, warf Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier der Regierung „Nicht-Handeln“ in der Krise vor.

Merkel forderte eine engere Kooperation in der Euro-Zone. Es habe sich gezeigt, dass die Probleme eines einzigen Landes die ganze Währung in Gefahr bringen könnten, mahnte sie. Der Euro sei aber „viel, viel mehr als eine Währung“, nämlich „der Garant eines einigen Europas“. Die Kanzlerin warnte: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“

Offen für eine Änderung der EU-Verträge

Sie zeigte sich zugleich offen für eine mögliche Änderung der EU-Verträge. „Wenn wir Europa weiterdenken“, dürfe eine Vertragsänderung kein Tabu sein, sagte die CDU-Vorsitzende. So könne „ein Mehr an Verbindlichkeit“ erreicht werden.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier warf der schwarz-gelben Koalition dagegen vor, mit ihrem „Nicht-Handeln“ in der Schulden- und Finanzkrise die Demokratie zu gefährden. Die Politik müsse die Kontrolle über die Märkte zurückgewinnen. Andernfalls „bleiben die Leute bei den Wahlen zuhause und das geht an die Grundfesten der Demokratie“, warnte er.

Schwarz-Gelb schwanke zwischen „europäischen Lippenbekenntnissen“ und „europaskeptischen Stammtischparolen“, beklagte Steinmeier. Europa brauche ein mutigeres Handeln der Regierung, um voranzukommen.

Merkel sieht sich durch Urteil bestätigt

Vertreter von Opposition und Koalition begrüßten in der Debatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das kurz vor Beginn der Aussprache verkündet worden war. Die Richter billigten darin die deutschen Euro-Hilfen unter Auflagen. „Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs“ müsse vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden, forderten sie.

Merkel wertete das Urteil als Bestätigung ihrer Politik. Mit Blick auf die Mahnung der Richter für eine ausreichende Mitbestimmung des Parlaments betonte die CDU-Vorsitzende: „Das ist genau der Weg, den wir gegangen sind.“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte, Karlsruhe habe sehr klar entschieden, dass die Vereinbarungen der Verfassung „in vollem Umfang entsprechen“.

Gemeinsam nach Lösungen suchen

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sagte, es handle sich um ein gutes Urteil, „weil es den Weg frei macht, diese Krise europäisch zu lösen“. Zudem werde klargestellt, dass das Haushaltsrecht des Bundestags nicht infrage stehe.

Die SPD verlangte als Reaktion auf das Urteil, über die künftigen parlamentarischen Verfahren zur Euro-Rettung mitzubestimmen. „Wir erwarten von Ihnen, dass Sie gemeinsam mit uns, mit den Oppositionsfraktionen, nach Lösungen suchen“, sagte Steinmeier. Das sei eine „Bringschuld“ von Union und FDP. Unionsfraktionschef Volker Kauder erklärte, schon für den Nachmittag seien Gespräche zwischen allen Fraktionen darüber geplant. Am Donnerstag steht im Bundestag die erste Debatte über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF an. In dem dafür nötigen Gesetz soll festgelegt werden, inwiefern der Bundestag über die Verwendung des EFSF mitbestimmen kann.

Steinmeier attackiert „schlechteste Regierung seit Jahrzehnten“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende warf der Bundesregierung in seiner Rede katastrophal schlechte Arbeit vor. Es handele sich um „die schlechteste Regierung seit Jahrzehnten“, sagte Steinmeier. „Keine Bundesregierung vor Ihnen hat jemals eine so katastrophale Halbzeitbilanz abgeliefert wie Sie“, rief er dem Kabinett zu.

Die Bundesregierung sei in der Europapolitik orientierungslos. Das Nichthandeln in der Schuldenkrise sei verantwortlich für die nötigen Anleihenaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte Steinmeier. „Es hat an Mut, an Führung gefühlt.“ Mit dem Abschieben der Verantwortung auf die EZB würden aber weitreichende Entscheidungen letztlich vorbei am Parlament getroffen. Dies erkläre auch den Vertrauensverlust in die Politik. „Wir brauchen eine Road-map für eine Währungsunion, die diesen Namen wirklich verdient“, sagte der SPD-Politiker. Weil es der Regierung aber an Mut und Ideen fehle, treibe das europäische Schiff orientierungslos vor sich hin.

Werden Eurobonds nun abgelehnt oder angekündigt?

Steinmeier, der in seiner Rede vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble und Unions-Fraktionschef Volker Kauder angriff, warf der Bundesregierung zudem vor, in der Europapolitik völlig zerstritten zu sein. Auch die SPD wolle keine unkonditionierte Einführung gemeinsamer Staatsanleihen in der Euro-Zone, sondern nur dann, wenn es auch um Durchgriffsmöglichkeiten auf die Staaten gebe, die sie in Anspruch nehmen. Die Regierung übernehme nach sechs Monaten jeweils die Positionen, die die SPD vorher in der Europapolitik vertreten habe. Deshalb müsse sich Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht wundern, wenn seine Ablehnung von Euro-Bonds heute in Wahrheit als Ankündigung dieses Instruments verstanden werde.

Steinmeier kritisierte zudem harsch das Steuerabkommen mit der Schweiz sowie die Vereinbarung zur privaten Gläubigerbeteiligung im neuen Griechenland-Paket. Diese sei ein „Etikettenschwindel“, weil die Banken viel zu gut behandelt würden. Die Regierung bereite auch damit „die größte sozialpolitische Umverteilung der letzten Jahrzehnte vor.“ (dapd/rtr)