Berlin. . In Berlin eskaliert die Gewalt gegen Autos. 321 gingen dieses Jahr schon in Flammen auf. Sogar der Staatsschutz ermittelt mit – bislang ohne Erfolg. Nach weiteren Bränden in der Nacht zu Freitag fahndet die Polizei nach drei Flüchtigen.
Die Flammen haben mit ganzer Kraft gewütet. Nur mit viel Fantasie kann man unter der verkohlten Haube die Reste des Motors erkennen. Der Mercedes von Daniel Joffe ist jedenfalls schrottreif.
Der 32-Jährige in Charlottenburg ist wie dutzende weitere Berliner das Opfer der Auto-Brandstifter geworden, die seit Anfang der Woche in der Stadt wüten. Allein von Montag bis Donnerstag haben 41 Fahrzeuge gebrannt. Die Serie von Auto-Brandanschlägen hielt auch in der Nacht zu Freitag an. Bis kurz nach 3 Uhr brannten in mehreren Stadtteilen elf Fahrzeuge. Verletzt wurde niemand. Die Polizei fahndet nach drei flüchtigen Tatverdächtigen.
Damit sind 2011 bereits über 300 Autos in Flammen aufgegangen, sagte ein Polizeisprecher der WAZ-Mediengruppe am Donnerstag und schränkte ein: „Wenn in den letzten beiden Stunden kein weiteres Auto gebrannt hat.“ 2010 wurden 250 Pkw angezündet.
Lust am Zündeln und Rowdytum
„Es ist so eine Art Berliner Tradition, Autos abzufackeln“, weiß Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) aus eigener Erfahrung. Dessen Dienstwagen brannte vor Jahren. Während es früher aber Linksextreme waren, die in Friedrichshain und Kreuzberg Luxuskarossen zerstörten, werde jetzt „querbeet angezündet“, meinte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit am Donnerstag.
Nun brennen hauptsächlich Mittelklassewagen – in den In-Bezirken Charlottenburg und Mitte ebenso wie im tristen Lichtenberg. Ob es sich um politisch motivierte Taten handelt, ist noch offen. Wowereit jedenfalls geht davon aus, dass es die Lust am Zündeln und Rowdytum sind, die die Brandstifter antreiben. Soziale Auseinandersetzungen als Grund – wie viele es bei den Krawallen in London vermuten – hält Wowereit wohl schon aus Selbstschutz für abwegig. Denn einen Monat vor der Berlin-Wahl kommen ihm solche Debatten zur Unzeit. Eben diese haben nun aber begonnen.
Polizei und Staatsschutz ermitteln
Mit mehr als 100 Polizisten und Hubschraubern suchen Polizei und Staatsschutz fieberhaft nach den Brandstiftern. Doch deren Vorgehen macht die Suche für die Beamten nicht einfacher. Sie wissen, wie sie den Brand legen müssen, damit er erst dann voll ausbricht, wenn sie selbst schon mehrere Straßen entfernt sind. Das dürfte einer der Gründe sein, warum die Berliner Polizei noch im Dunkeln tappt. „Es gibt vereinzelte Hinweise, aber keine heiße Spur“, sagte ein Sprecher.
Die Polizeigewerkschaft GdP fordert, dass die Bundespolizei und Beamte aus anderen Ländern den Berliner Kollegen helfen sollen. Aus ihrer Sicht ist der Berliner Senat mit Schuld an der erfolglosen Fahndung. Dieser habe in den letzten zehn Jahren 4000 Polizisten eingespart, beschwerte sich GdP-Landeschef Michael Purper via Berliner Morgenpost. „Das ist die Platte der Gewerkschaften“, sagte hingegen Ex-Senator Wieland dieser Zeitung. Auch mit mehr Personal hält er die Jagd nach den Brandstiftern für die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Schließlich gebe es in Berlin mehr als eine Million angemeldeter Fahrzeuge und tausende Kilometer Straße.
7000 Euro Belohnung
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Brandanschläge indes scharf verurteilt. „Was ist das für ein Verhalten“, sagte Merkel am Donnerstag in Wiesbaden. „Menschenleben werden kaltblütig aufs Spiel gesetzt.“
Wowereit hat die Berliner zur Mithilfe aufgerufen, um den Tätern das Handwerk zu legen. Doch aus Sicht des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer hilft nur der Zufall oder eine Belohnung. Sie beträgt in Berlin derzeit 7000 Euro. Etwas hilflos klingen auch die Ideen der Politik, um Brand-Attacken künftig zu verhindern. „Härtere Strafen wären wünschenswert“, meinte Wieland. Dann wüssten die Brandstifter, dass es nicht um „Jux und Tollerei“ gehe.