Berlin. .

Berlin wird durch eine Serie von nächtlichen Brandanschlägen auf Autos erschüttert. Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagt, die Berliner "Szene" sei nun von den Straßenschlachten in London animiert und wolle "die Puppen tanzen lassen".

Die Serie von Brandanschlägen auf Autos in Berlin reißt nicht ab. In der Nacht zum Mittwoch wurden erneut 15 Fahrzeuge von Unbekannten angezündet, drei weitere dadurch beschädigt. Schwerpunkt war wie schon am Vortag der Stadtteil Charlottenburg. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verurteilte die Brandstiftungen scharf. Weitere Anschläge gab es in Lichtenberg, Spandau und Mitte. Verletzt wurde niemand.

In der Nacht zum Dienstag waren ebenfalls in Charlottenburg kurz nach Mitternacht elf Fahrzeuge in Flammen aufgegangen. Seit Jahresbeginn registrierte die Polizei 138 derartige Anschläge, bei denen ein politisches Motiv vermutet wird.

„Wir haben eine schreckliche Serie. Als Bürger habe ich eine ungeheure Wut, auf das, was da passiert“, sagte Körting am Mittwoch im RBB-Inforadio. Andererseits müsse die Polizei einen „kühlen Kopf behalten“. Man wisse leider nichts über den oder die Täter, sagte Körting. Es gebe teilweise einen linksextremistischen Hintergrund. Inzwischen spiele aber auch die Nachahmung eine große Rolle.

Krimonologe Christian Pfeiffer sieht Parallele zu den Krawallen in England

Der Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, sieht eine Parallele zu den Krawallen in Großbritannien. "Was in Berlin passiert, ist die Ausstrahlung von London", sagte er am Mittwoch. Animiniert von den dortigen Straßenschlachten versuche die "Szene" auch in Berlin, "Aufregung zu erzeugen und die Puppen tanzen zu lassen". Pfeiffer hält die Täter für Mitglieder einer "Szene, die in einer Art Subkultur lebt und gegenüber Polizei und Staat feindlich eingestellt ist". Grund für die Brandstiftungen sei "massive Frustration", sagt er. "Die Täter genießen nicht das pralle Leben, sondern sehen, dass sich ihre Träume nicht verwirklichen." Autos anzuzünden gebe ihnen ein Gefühl von Macht. "Sie freuen sich darüber, die Polizei auszutricksen."

Die Brandstifter gehen immer nach einem ähnlichen Muster vor: Sie zünden einen Grillanzünder an und legen ihn auf einen Autoreifen unter der Karosserie. Danach gehen sie ruhig weiter und sind weit weg, wenn das Auto lichterloh brennt. Spuren hinterlassen sie kaum. Um ihnen beizukommen, sieht Pfeiffer nur zwei Wege: "Entweder hilft der Zufall oder eine Belohnung." Im ersten Fall müssten Anwohner oder Passanten potenzielle Täter beobachten und sofort die Polizei benachrichtigen. "Darauf hofft die Polizei", so Pfeiffer. Ein Belohnung müsste hoch genug sein und mit der Zusicherung verbunden sein, dass der Tipp-Geber anonym bleibt. Die Polizei teilte am Mittwoch mit, dass sie 5000 Euro Belohnung für Hinweise auf Täter ausgeschrieben habe.

Innensenator sieht keine sozialen Ursachen

Berlins Innensenator Ehrhart Körting schließt im Gegensatz zum Kriminologen Pfeiffer soziale Ursachen wie bei den Krawallen in Großbritannien aus. „Ich glaube nicht, dass es eine Frage von Arm und Reich ist“, sagte er. „Ich glaube wirklich, dass es eine Frage von feigen Tätern ist, die es dieser Gesellschaft zeigen wollen und die vielleicht überhaupt nicht selber in irgendeiner kritischen Situation sind.“

Verdächtige kann die Polizei nur selten fassen. In den vergangenen zwölf Monaten gab es nach Informationen der Justizpressestelle lediglich drei Prozesse, von denen einer mit einem Freispruch, die anderen mit Verurteilungen endeten.

Die Einrichtung einer Sonderkommission, wie von CDU-Fraktionschef Frank Henkel gefordert, lehnte Körting ab. Das Landeskriminalamt habe eine eigene Abteilung, die sich mit den Brandanschlägen befasse. Das sei ausreichend. In den vergangenen Tagen wurden nach Angaben des SPD-Politikers zudem die sogenannten Brandstreifen von Polizisten verstärkt. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte die Bevölkerung auf, die Polizei zu unterstützen. "Die Polizei schafft das nicht allein", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt dem Sender n-tv. Sie sei auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen - und auf "harte Urteile" aus der Justiz. (dapd/afp)