London. . Nach den Krawallen in England üben Menschenrechtsorganisationen Kritik an den harten Richtersprüchen der britischen Justiz. Zwei Männer, die auf Facebook zu Randale aufgerufen hatten, wurde jüngst zu jeweils vier Jahren Haft verurteilt.
Nach den schweren Ausschreitungen in der britischen Hauptstadt sind nach Angaben der Londoner Polizei bislang 1000 Menschen verurteilt worden. Dies sei ein wichtiger Meilenstein, doch die Ermittlungen dauerten noch an, sagte der amtierende Polizeichef Tim Godwin.
Unterdessen äußerten Menschenrechtsorganisationen Kritik an den zum Teil empfindlichen Strafen für Randalierer. Zuletzt waren zwei junge Männer im Nordwesten Englands wegen „Organisation und Steuerung“ der Unruhen zu Freiheitsstrafen von vier Jahren verurteilt worden. Sie hatten über Facebook zu Plünderungen aufgerufen.
Facebook-Aufruf „lasst uns Randale machen“
Das harte Urteil stieß am Mittwoch auf heftige Kritik, nicht zuletzt weil diese Aufrufe keinerlei Folgen gehabt hatten. Allein in London wurden im Zusammenhang mit den vier Nächte dauernden Ausschreitungen inzwischen mehr als 1700 mutmaßliche Randalierer festgenommen.
Ein Polizeisprecher bezeichnete die Verurteilung zu vier Jahren Haft am Dienstagabend als „abschreckendes Beispiel und klare Botschaft an potenzielle Krawallmacher“. Die Facebook-Einträge der beiden Männer hätten gezeigt, „wie heutzutage die Technologie für kriminelle Aktivitäten missbraucht“ werden könne.
Einer der Verurteilten ist ein 20-Jähriger, der die Facebook-Seite „Macht Northwich nieder“ einrichtete und darauf unter anderem zum Sturm auf eine McDonald’s-Filiale in der nordwestenglischen Stadt aufrief. Der zweite Verurteilte hatte seinerseits angesichts der Massenkrawalle im ganzen Land zu Protesten in seinem Wohnviertel in Warrington ebenfalls im Nordwesten Englands aufgerufen. Dazu setzte der 22-Jährige seine Facebook-Seite unter das Motto „Lasst uns Randale in Latchford machen“.
Rattenschwanz von Berufungen vorhergesagt
Die Staatsanwaltschaft erklärte vor dem Gericht in Chester, die Interneteinträge hätten „erhebliche Panik und Abscheu“ ausgelöst. Der 22-Jährige gab an, bei seinem Facebook-Eintrag betrunken gewesen zu sein. Als er am nächsten Morgen mit einem Kater aufgewacht sei, habe er den Eintrag gelöscht und sich entschuldigt.
Andrew Neilson von der Howard League für Strafrechtsreform sagte, das von Premierminister David Cameron angekündigte harte Durchgreifen führe zu „einigen sehr schlechten Urteilen“, die in Berufungsverfahren aufgehoben würden. Das im Fall der beiden Facebook-Einträge verhängte Strafmaß werde üblicherweise bei schweren Gewaltdelikten angewandt.
Einige Strafen seien „vollkommen unverhältnismäßig“, sagte Sally Ireland von der Vereinigung Gerechtigkeit der Zeitung „The Guardian“. Die Folge werde ein „Rattenschwanz von Berufungen“ sein. Der Strafverteidiger Paul Mendelle sagte der BBC, er sehe die Gefahr, dass Urteile im Schnellverfahren gefällt und dabei bestehende Justizregeln über Bord geworfen würden.
Gerichte arbeiten ohne Unterlass
Die britischen Gerichte arbeiteten in den vergangenen Tagen ohne Unterlass und sollten auch das Wochenende über tätig sein. Mehr als tausend mutmaßliche Randalierer in London wurden bereits angeklagt. Auslöser der am 6. August einsetzenden Ausschreitungen vor allem durch junge Menschen war die Tötung eines 29-Jährigen bei einem Polizeieinsatz im Londoner Stadtteil Tottenham. Bei den vier Nächte dauernden Unruhen, die auch auf andere Städte des Landes übergriffen, kamen fünf Menschen ums Leben.
Der britische Kronprinz Charles und seine Frau Camilla statteten Tottenham am Mittwoch einen Besuch ab. Sie trafen unter anderem mit Familien und Ladeninhabern zusammen. Bei den Ausschreitungen, Brandstiftungen und Plünderungen waren in dem multiethnischen Stadtteil viele Geschäfte und Wohnungen zerstört worden, 200 Menschen wurden obdachlos. Das Kronprinzenpaar unterbrach für den Besuch seinen Sommerurlaub in Schottland. (afp/dapd)
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