London. . In Großbritannien hat die Polizei nach den Krawallen Ermittlungen wegen Mordes aufgenommen. Ein 22-Jähriger wurde festgenommen, weil er des Mordes an einem 68-Jährigen verdächtigt wird. Gegen 591 Personen wurde in London Anklage erhoben.
Nach den Ausschreitungen in Großbritannien ermittelt die Polizei in mehreren Fällen wegen Mordes. Im Zusammenhang mit dem gewaltsamen Tod eines 68-Jährigen wurde am Freitag ein 22-jähriger Verdächtiger festgenommen. Der 68-Jährige war nach Polizeiangaben am späten Donnerstagabend seinen Verletzungen erlegen. Er war im Westen Londons angegriffen worden, als er versuchte, ein Feuer zu löschen. Er lag seit Montag im Koma.
Auch in Birmingham vernahm die Polizei drei Personen, die des Mordes verdächtigt werden. In der Stadt waren drei junge Männer, die sich offenbar einer Bürgerwehr angeschlossen hatten, von einem Auto überfahren worden. Insgesamt nahm die Polizei bis zum Freitag landesweit mehr als 1.700 Personen fest, darunter mehr als 1.000 in London.
Britische Polizei sucht mit mobiler Leinwand nach Randalierern
Bei ihrer Fahndung nach flüchtigen Plünderern und Randalierern bei den nächtlichen Krawallen setzt die britische Polizei inzwischen auf eine mobile Leinwand. Über den sechs Quadratmeter großen Bildschirm, der auf einem Kleinbus befestigt ist, suchen die Ermittler mit Hilfe von Bildern aus Überwachungskameras nach Verdächtigen. Am Freitag war das Fahrzeug in Birmingham unterwegs, wo es an mehreren öffentlichen Plätzen Station machte. In der zweitgrößten britischen Stadt sollen so in den nächsten Tagen abwechselnd mehr als 50 Aufnahmen der Gesichter von mutmaßlichen Krawallmachern gezeigt werden.
„Die Medien haben bereits Fotos von denjenigen veröffentlicht, die wir suchen, aber wir sind entschlossen, die Verdächtigen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte der ranghohe Polizist Mark Rushton. Bereits am Donnerstag, als das Fahrzeug zum ersten Mal unterwegs war, habe es eine „großartige Resonanz“ in der Bevölkerung gegeben. Über 500 Hinweise seien telefonisch oder per E-Mail bei der Polizei eingegangen.
591 Anklagen in London
Gegen 591 der Verdächtigen in London wurde Anklage erhoben, wie die Polizei der Hauptstadt am Freitagmorgen mitteilte. Gerichte in London, Birmingham und Manchester setzten den Angaben zufolge ihre Arbeit die zweite Nacht in Folge ohne Unterbrechung fort, um über die große Zahl der mutmaßlichen Gewalttäter und Plünderer zu richten. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sagte, die Bürger erwarteten „bedeutende Urteile“ für die Schuldigen.
Die mutmaßlichen Plünderer kommen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten. Unter ihnen sind ein elfjähriger Junge, eine junge Ballerina, ein Student aus einer wohlhabenden Pendlervorstadt und eine 24-jährige Universitätsabsolventin, die sich selbst bei der Polizei meldete. Nach Angaben ihres Anwalts brachten ihre Schuldgefühle sie um den Schlaf. Auch eine 18-Jährige, die als freiwillige Helferin für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr ausgewählt worden war, soll sich an den Ausschreitungen beteiligt haben. Ihre Eltern entdeckten sie auf Fernsehbildern der Unruhen und meldeten sie bei der Polizei.
Polizei verteidigt sich gegen Kritik
Die Sicherheitskräfte wiesen unterdessen Vorwürfe zurück, sie hätten zu Beginn der Ausschreitungen zu zögerlich reagiert. Hugh Orde, Präsident der Vereinigung der Polizeichefs, erklärte, die Sicherheitskräfte hätten vor „einer beispiellosen Situation, einzigartigen Umständen“ gestanden. Die Polizei selbst habe jedoch die Lage in den Griff bekommen, und zwar nicht durch „politische Einmischung“.
Premierminister David Cameron hatte erklärt, zunächst seien zu wenige Beamte auf den Straßen gewesen, und ihre Taktik habe nicht funktioniert. Am Dienstag patrouillierten dann 16.000 Polizisten in den Straßen Londons - fast drei Mal so viele wie in der Nacht zuvor. Seit Ausbruch der Unruhen am vergangenen Wochenende sind hunderte Geschäfte geplündert worden. Gebäude gingen in Flammen auf und mehrere Menschen kamen ums Leben. (ap/afp)