Berlin. . Der Unmut über Merkels selbstherrliche Regierung wächst. Jetzt geht's um die Euro-Rettung. Dabei kann sich die Bundeskanzlerin ein Zugeständnis an Sarkozy derzeit gar nicht leisten. Der Vorsprung von FDP und Union auf die Opposition wackelt.

Morgen ist sie wieder bei Nicolas Sarkozy. Die Koalition wartet Angela Merkels Paris-Trip mit gemischten Gefühlen ab. Was werden die Kanzlerin und der französische Präsident verabreden? Welche Zumutung kommt jetzt? Im Prinzip hält sich der Bundestag eine Regierung - nicht umgekehrt. In Wahrheit regiert Merkel arg eigenhändig. Nicht zufällig erinnerte Norbert Lammert gestern daran, dass der Bundestag allein darüber befinde, wann er über den Euro-Rettungsschirm abstimmt und wie viel Zeit er sich zur Beratung nimmt. Die Tragik ist nur, dass der Parlamentspräsident alle paar Monate auf die Rechte des Bundestags pocht, ohne dass die Abgeordneten wirklich mehr Respekt erfahren würden.

Anfang September kehren sie aus der Sommerpause zurück. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie im selben Monat über den neuen Hilfs-Fonds für den Euro befinden sollen, immerhin über 700 Milliarden Euro. Es ist sogar ein konkretes Datum im Gespräch, der 23. September. Einen Tag nach der Papstrede im Bundestag also soll das Hohe Haus Ja und Amen sagen.

Die Abgeordneten wissen von der Ansage seit einer Woche. Am letzten Sonntag hatten Merkel und Sarkozy verabredet, dass der Hilfsfonds „schnell bis Ende September“ beschlossen werden soll. Schon die Hast hat irritiert. Obendrein fühlte sich die Europäische Zentralbank (EZB) dazu ermutigt, Staatsanleihen aus Italien und Spanien zu kaufen. Schon im Juni hatte Merkel mit einem Euro-Deal aufhorchen lassen. Sie und Sarkozy einigten sich darauf, dass sich private Gläubiger nur freiwillig an Griechenland-Hilfen beteiligen wollen. In Berlin hatte sich die Koalition eigentlich eine verbindlichere Regelung erhofft.

Kein Wunder, dass vor dem Treffen am Dienstag die nächste Zumutung befürchtet wird: Dass die Regierung doch Euro-Bonds zustimmt. Es wäre der nächste Schritt zur Transferunion, was die EU-Verträge ausschließen.

Verfassungsklage

Eigentlich kann Merkel sich ein Zugeständnis an Sarkozy nicht leisten. Der Vorsprung von FDP und Union im Bundestag auf die Opposition wackelt. Es sind nur 19 Stimmen, und eine Gruppe von Abgeordneten begehrt auf, angeführt vom FDP-Mann Frank Schäfler, ein Hinterbänkler. Dazu kommt der allgemeine Unmut über den Umgang mit dem Bundestag, über Merkels selbstherrliche Regierung.

Gerade haben die Grünen eine Verfassungsklage eingereicht, weil der Bundestag nach ihrer Ansicht bei der Militäroperation „Pegasus“ in Libyen missachtet wurde. Dass der Bundestag oft nur eine Nebenrolle spielt, dafür gibt es noch andere Beispiele. Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke setzte die Regierung für drei Monate aus -- die Ermächtigung dafür ist sehr umstritten. Das Gesetz gegen Kinderpornografie im Internet wurde nicht angewandt -- die Regierung wollte nicht. Im März beschwerte sich Lammert bei Merkel darüber, dass sie das Parlament bei einer EU-Frage zu spät informiert habe. Beim Atomausstieg wie bei der Abschaffung der Wehrpflicht wurden die Volksvertreter überrumpelt -- die Regierung hatte Fakten geschaffen. Letztes Beispiel: Die EZB nimmt mit dem Ankauf von Staatsanleihen Risiken auf, für die im Verlustfall der Steuerzahler haften müsste.

Regionalkonferenzen

In der Union will Merkel auf Regionalkonferenzen für ihren Euro-Kurs werben. Auch im Parlament kämpft sie. Zwar haben SPD und Grüne ihre Zustimmung zum Hilfsfonds signalisiert. Bloß, was wäre es für ein Signal, wenn Merkel ihre Mehrheit verfehlen würde? Das vorzeitige Ende von Schwarz-Gelb? Die FDP-Abgeordnete Sylvia Canel überraschte letzte Woche mit einem Geständnis: Sie fände das „sympathisch“. Die Alternative „Friss-oder-Stirb“ ist den Abgeordneten vertraut. Nur Canels Antwort ist neu.