Athen/Essen. . Die Griechen müssen eisern sparen. 78 Milliarden Euro in den nächsten fünf Jahren. Was wäre, wenn wir Deutschen diese Summe schultern müssten? Eine Rechnung.

Die Griechen haben Wut. Wut auf ihre Regierung, die ihnen Milliardeneinsparungen zumuten will. Wut auf Europa, Wut auf Deutschland, die ihnen die Sparpistole auf die Brust setzen.

Seit Mittwoch brennen Barrikaden in der Hauptstadt Athen. Es gibt gewaltsame Proteste und brutale Zusammenstöße mit der Polizei. Es herrscht Chaos.

Am Donnerstag stimmte trotz des Aufstandes auch das Parlament den Kürzungsplänen zu. Sie sind Voraussetzung dafür, dass die EU Griechenland erneut hilft.

Griechenland will demnach in den nächsten fünf Jahren 78 Milliarden Euro sparen. 50 Milliarden davon sollen durch Privatisierungen von staatseigenen Betrieben in die Kasse kommen. Um 13 Milliarden sollen die Staatsausgaben und sozialen Leistungen zusammengestrichen werden. 15 Milliarden Euro sollen durch höhere Steuern in Staatssäckel fließen.

Alles in allem muss Griechenland in den nächsten fünf Jahren 34 Prozent der Summe sparen, die es in einem Jahr erwirtschaftet.

Würde man diese Sparsumme auf die Wirtschaftsleistung Deutschlands umrechnen, müsste die Bundesrepublik in den nächsten fünf Jahren die gigantisch klingende Summe von 850 Milliarden Euro einsparen. Pro Jahr käme man somit auf Kürzungen von 170 Milliarden Euro. Das entspricht etwa soviel, wie der Bund jedes Jahr für Arbeit und Soziales ausgibt – das ist mit fast 43 Prozent der größte Posten im Bundeshaushalt.

Privatisierung:

50 Milliarden wollen die Griechen dadurch einnehmen, indem sie staatliche Firmen verkaufen. Müsste Deutschland in der gleichen Größenordnung privatisieren, dann müsste es 545 Milliarden Euro aufbringen. Allerdings hat der Bund im Gegensatz zu Griechenland dazu kaum noch Möglichkeiten, weil in Deutschland vieles in den vergangenen Jahren bereits privatisiert wurde. Allein die einst geplante Teilprivatisierung der Bahn sollte maximal acht Milliarden Euro in die Kasse spülen. Die Telekom-Anteile des Staates an der Telekom sind derzeit etwa 14 Milliarden Euro wert. Auch ein Verkauf der Landesbanken dürfte wohl eher nicht zu einem guten Geschäft werden, wie das aktuelle Beispiel WestLB zeigt. Griechenland hingegen ist bei seiner Privatisierung bislang kaum voran gekommen. Entsprechend lang ist die Verkaufsliste. Unter anderem stehen Banken, Häfen, der Flughafen von Athen und die OTE Telecom zum Verkauf.

Staatsausgaben:

In den nächsten fünf Jahren sollen in Griechenland zudem die Staatsausgaben und Sozialleistungen um 13 Milliarden Euro gekürzt werden. Auf Deutschland umgerechnet, würde das eine Summe von 145 Milliarden bedeuten. Pro Jahr hieße das Einsparungen von 29 Milliarden Euro. Um sich die Größenordnung vorstellen zu können: 40 Milliarden Euro gibt der Staat jedes Jahr für Hartz IV aus. Dennoch glaubt Roland Döhrn, Konjunkturexperte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen: „Ein solches Sparziel wäre zwar bitter, ist aber machbar.“ Zwar nicht bei einzelnen Posten, aber mit der Rasenmähermethode.

Die politische Durchsetzbarkeit steht jedoch auf einem anderen Blatt. Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ist skeptisch: „Wenn man sich überlegt, wie wir Deutschen wegen fünf Euro mehr oder weniger Hartz IV gejammert haben, kann man sich vorstellen, was wir den Griechen zumuten. Bei solchen Einschnitten hätte auch Deutschland Probleme mit der Regierungsfähigkeit“, sagte er gegenüber Spiegel online.

Steuern:

15 Milliarden Euro mehr Steuern will die griechische Regierung eintreiben. 160 Milliarden bzw. 32 Milliarden Euro pro Jahr wären das umgerechnet für Deutschland. Allein den Solidaritätszuschlag zu verdoppeln würde dafür nicht ausreichen. Das brächte 13 Milliarden Euro. Die diskutierte Abschaffung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes beispielsweise auf Lebensmittel von sieben auf 19 Prozent würde dem Staat rund 14 Milliarden bringen. Auch wenn man die Tabaksteuer verdoppeln würde, käme man nur auf 13 Milliarden Mehreinnahmen. Am wirkungsvollsten wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um vier Prozentpunkte auf dann 23 Prozent. Jeder Prozentpunkt spült dem Finanzminister rund acht Milliarden Euro mehr in die Kasse.

Machbar? Zumindest kein Ding der Unmöglichkeit, meint Roland Döhrn vom RWI. „Als in Deutschland die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöht wurde, brannten auch keine Barrikaden“, meint er.

Döhrn ist überzeugt, dass das Sparprogramm für Griechenland ohne Alternativen ist. „So etwas ist hart, aber Griechenland befindet sich in einer Notstandssituation.“ Dennoch hegt Döhrn Zweifel, ob die angekündigten Schritte die richtigen sind: „Sie werden nicht ohne Konsequenzen für die Konjunktur bleiben“. Vor allem die Belastung der Geringverdiener hält er für falsch. Stattdessen müsse der Staat an die Vermögenden und die Steuerschlupflöcher konsequenter als bisher schließen.