Athen. . Das griechische Parlament hat dem Sparpaket der Regierung am Mittwoch zugestimmt. Damit ist die entscheidende Voraussetzung für weitere Milliardenhilfen von EU und IWF erfüllt. Kanzlerin Merkel reagierte mit Erleichterung.
Begleitet von Straßenschlachten hat das griechische Parlament den drastischen Sparplänen der Regierung zugestimmt, um die Zahlungsunfähigkeit des Landes zu verhindern. 155 Abgeordnete stimmten am Mittwoch dafür, 138 Abgeordnete dagegen. Das Programm von Ministerpräsident Giorgos Papandreou sieht Leistungskürzungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen vor und ist Voraussetzung für weitere Milliarden-Hilfen von EU und IWF. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Parlamentsentscheidung als wirklich gute Nachricht.
Ein Abgeordneter der Sozialistischen Fraktion stimmte gegen das 28 Milliarden Euro umfassende Sparprogramm der Regierung. Er wurde prompt aus der Partei ausgeschlossen. Eine Abgeordnete der Opposition stimmte mit der Regierung. Papandreou warnte in der Debatte noch einmal vor einem Scheitern seiner Pläne: "Wir müssen einen Kollaps des Landes um jeden Preis verhindern." Vor der Abstimmung hatte Zentralbankchef Giorgos Provopoulos den Druck auf die Abgeordneten erhöht: "Es wäre ein Verbrechen, wenn das Parlament dagegen stimmen würde. Das Land würde damit seinen Selbstmord besiegeln", sagte Provopoulos der "Financial Times".
Anleger reagieren zurückhaltend auf Sparpaket-Zustimmung
Anleger und Devisenhändler haben die Zustimmung des griechischen Parlaments zum Sparpaket zunächst mit Zurückhaltung aufgenommen. Der Dax entfernte sich in den ersten Minuten nach der Entscheidung von seinem Tageshoch bei 7.320 Zählern und bewegte sich bei 7.270 Punkten. Das wichtigste deutsche Börsenbarometer berappelte sich jedoch und notierte kurz vor Börsenschluss knapp unter 7300 Punkten.
Auch der Euro reagierte zunächst mit Abschlägen auf die Entscheidung. Nach der Abstimmung wurden "erst einmal Gewinne mitgenommen", sagte Antje Präfcke, Devisenmarkt-Analystin der Commerzbank. Nach Hochs knapp unter 1,4450 rutschte der Euro im Vergleich zu Dollar am Nachmittag auf 1,4350 ab. Doch am späten Nachmittag gewann der Euro wieder hinzu und kletterte erneut über die 1,44-Dollar-Marke.
Ackermann warnt vor „Kernschmelze“ bei Griechenland-Pleite
Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, sieht die Gefahr, dass Griechenland ohne weitere Hilfen eine neue "Kernschmelze" der internationalen Wirtschaft auslöst. "Wir sind uns der Verantwortung sehr bewusst", sagte Ackermann am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die laufenden Gespräche über eine Beteiligung privater Banken an dem nächsten Rettungspaket für Athen. "Ich gehe davon aus, dass wir die Hand bieten zu einer Lösung", sagte er. Die deutsche Finanzbranche werde das nicht gerne tun. Sie sei aber bereit dazu, um der Politik zu ermöglichen, das Notwendige zu tun, um eine Kernschmelze zu verhindern. Wenn Griechenland zahlungsunfähig werde, dann sei eine Verwerfung in Europa die Folge, die "weit über das hinausgeht, was Lehman Brothers für uns bedeutet hat".
Als großes Risiko bezeichnete Ackermann die Kreditausfallversicherungen (CDS). Welche Volumina hier im Umlauf seien, sei völlig unklar. Er warnte vor den Folgen für die Bilanzen der Banken: Abschreibungen auf das Griechenland-Engagement von vielleicht 45 Prozent für die Banken etwa wären schon schwer zu tragen, aber das wahre Risiko sei die weltweite Vernetzung und damit die Folgen für das Gesamtsystem weltweit, sagte er.
Die Kernpunkte des griechischen Sparpakets
Nachfolgend Kernpunkte der "mittelfristigen Finanzstrategie", über die am heutigen Mittwoch das Parlament entschieden hat. Endgültig in Kraft tritt das Paket aber erst mit der Verabschiedung eines Durchführungsgesetzes, das am morgigen Donnerstag auf der Tagesordnung steht.
- Rationalisierungen im öffentlichen Dienst sollen in diesem Jahr 800 Millionen Euro einbringen, bis 2015 insgesamt 2,175 Milliarden. Erreicht werden soll das, in dem nur noch jede zehnte frei werdende Stelle besetzt und die Arbeitszeit von 37,5 auf 40 Wochenstunden verlängert werden soll.
- Einsparungen und Rationalisierungen bei Sozialausgaben und im Gesundheitsbereich, darunter Einführung eines elektronischen Verschreibungssystems für Medikamente, einer Liste mit Medikamenten, die von der Sozialversicherung nicht bezahlt werden und einer Preisliste für Medikamente, die übernommen werden: 1 Milliarde Euro in diesem Jahr, fast 4,5 Milliarden Euro insgesamt bis 2015.
- Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und Freiberufler sollen in diesem mit einem Solidaritätsbeitrag zur Kasse gebeten werden. 455 Millionen Euro will der Staat von seinen Bediensteten erheben, 100 Millionen von den Freiberuflern. Aber auch "alle Einzelpersonen" sollen in diesem Jahr 400 Millionen und in den folgenden Jahren 1,4 Milliarden Euro "Soli" zahlen.
- Steuereinnahmen sollen erhöht werden, indem Steuern konsequenter eingetrieben und Ausnahmeregelungen abgeschafft werden. Die Maßnahmen sollen erst 2013 greifen, dann aber bis 2015 insgesamt 3 Milliarden Euro einbringen. Betroffen sind Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Auch der Kampf gegen Alkohol- und Tabakschmuggel fällt in diesen Bereich.
- Die Mehrwertsteuer für Gaststätten und Restaurants wird von 13 auf 23 Prozent erhöht. In diesem Jahr werden aus dieser auch Touristen direkt treffenden Maßnahme 300 Millionen Euro und im kommenden Jahr 700 Millionen Euro veranschlagt.
- Auch die Mehrwertsteuer auf Erd- und Flüssiggas wird erhöht. 250 Millionen Euro in diesem, 315 Millionen im kommenden Jahr. Eine Erhöhung der Steuer auf Fahrzeuge soll in diesem Jahr 100 Millionen Euro bringen.
- Eine Finanztransaktionssteuer soll in diesem Jahr 100 Millionen Euro bringen.
- Kürzungen bei Verteidigungsausgaben ab 2012. Im ersten Jahr sollen 200 Millionen, 2013 bis 2015 jeweils 333 Millionen Euro eingespart werden. Insgesamt sind das 1,2 Milliarden Euro.
- Erzielung von Mehreinnahmen im öffentlichen Verkehr - durch Preiserhöhungen sollen 2013 und 2014 jeweils 240 Millionen Euro. (rtr/afp/dapd/jgr)