Berlin. . Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Bundestag für eine neue Architektur der deutschen Energieversorgung ohne Atomstrom geworben. Die Atomkraft sei nicht beherrschbar. Deshalb müsse die Politik einen Kurswechsel einschlagen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die geplante Energiewende im Bundestag mit dem Atom-Unglück in Fukushima begründet. Sie habe zur Kenntnis nehmen müssen, „dass selbst in einem Hochtechnologieland wie Japan die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrscht werden können“, sagte die Kanzlerin am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung zur Energiewende und dem Atomausstieg. Deshalb müsse die Politik umsteuern. Sie warb für das Gesetzespaket, das vom Bundeskabinett am Montag auf den Weg gebracht worden war und über das die Abgeordneten im Anschluss beraten wollten.

Neue Bewertung der Atomkraft

„In Fukushima haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass selbst in einem Hochtechnologieland wie Japan die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrscht werden können“, erinnerte die Kanzlerin an die Atomkatastrophe in Japan. Als Konsequenz daraus habe sie eine neue Bewertung der Atomkraft vorgenommen. Das damit verbundene Restrisiko sei für sie nur so lange akzeptabel gewesen, wie davon auszugehen war, dass es nicht eintritt, aber „jetzt ist es eingetreten“. Auch wenn in Deutschland etwa ein Tsunami nicht zu befürchten sei, hätten die Ereignisse in Fukushima die Verlässlichkeit von Risikoannahmen grundsätzlich in Frage gestellt.

Kernstück des Regelwerks ist die Novelle des Atomgesetzes, das die schrittweise Abschaltung der 17 deutschen Reaktoren regelt. Acht davon - die sieben ältesten Meiler und das Atomkraftwerk Krümmel - sind bereits abgeschaltet und sollen sofort dauerhaft stillgelegt werden, die übrigen zwischen 2015 und 2022.

Steinmeier wirft Merkel Unehrlichkeit vor

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat der Bundesregierung Unehrlichkeit und Opportunismus in der Atompolitik vorgeworfen. Die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft sei von "falschem Pathos und Unaufrichtigkeit" geprägt gewesen, sagte Steinmeier am Donnerstag im Bundestag.

An Merkel gewandt fügte er hinzu: "Sie können sich doch hier nicht hinstellen als Erfinderin der Energiewende in Deutschland, das zieht einem doch die Schuhe aus." Die Kanzlerin hatte zuvor vor den Abgeordneten für eine neue Architektur der deutschen Energieversorgung ohne Atomstrom geworben.

Rösler bezeichnet neues Energiekonzept als vernünftig

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat im Bundestag für das Gesetzespaket zum Ausstieg geworben. Zur Energiepolitik gehörten drei Dinge, nämlich Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag. "Das vorliegende Energiekonzept findet genau die richtige Balance für diese drei wesentlichen Säulen. Es ist ein gutes, es ist ein vernünftiges Energiekonzept für Deutschland", fügte er hinzu. Den geplanten Ausstieg aus der Kernkraft begründete er mit dem Atom-Unglück im japanischen Fukushima vor knapp zwei Monaten.

SPD und Grünen warf Rösler Unaufrichtigkeit vor. Beim ursprünglichen Atomausstiegsgesetz seien die beiden Parteien die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie die Energieversorgung nach dem endgültigen Abschalten der Atomkraftwerke gesichert werden könne. Die Regierungskoalition hingegen setze "auf das wichtige Thema Versorgungssicherheit". Er rechtfertigte in diesem Zusammenhang auch das geplante Reservekraftwerk zur Überbrückung von möglichen Stromengpässen bis Frühjahr 2013. Ein Blackout wäre aus Sicht der FDP nicht zu rechtfertigen, sagte der Wirtschaftsminister.

Insgesamt bewertete er die Energiewende als Chance für die deutsche Wirtschaft. Auch andere Staaten würden irgendwann auf die Idee kommen, aus der Atomkraft auszusteigen. Deutschland werde dann federführend sein.

Roth schließt Zustimmung zu Atomausstiegsgesetz nicht aus

Die SPD signalisierte im Vorfeld bereits Zustimmung zum Atomausstieg. Die Linke hat sich noch nicht festgelegt. Grünen-Chefin Claudia Roth hat vor der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Atomausstieg ihre Partei zu einem überlegten Vorgehen aufgerufen. „Wir tun sehr gut daran als Grüne, gerade bei dieser Bundesregierung ganz genau zu überprüfen, ob es ein echter Atomausstieg ist und es ein echter Einstieg ist in eine neue Klimapolitik“, sagte Roth am Donnerstag im ARD-“Morgenmagazin“. Ein Ja der Grünen zur Rücknahme der Laufzeitverlängerung, zur Stilllegung der sieben ältesten Meiler plus Krümmel und zum schrittweisen Abschalten schließe sie nicht aus, sagte Roth. Aber die Umsetzung der Atomgesetze müsse „dauerhaft und rechtssicher“ sein. „Wir gucken uns alles genau an.“

Roth forderte zudem, auch das Verfahren für die Suche nach einem Atommüll-Endlager im Gesetz zu verankern. Die Endlagerfrage müsse geklärt sein. Es dürfe keine Vorfestlegung auf Gorleben geben, „und ich möchte, dass es rechtssicher ist“. Auch müsse noch einmal darüber diskutiert werden, ob nach der Atomkatastrophe in Fukushima die Sicherheitskriterien für deutsche Akw verbessert werden müssten.

Linke will staatliche Verfügungsgewalt über Energieversorgung

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat staatliche Verfügungsgewalt über die Energieversorgung und die Stromnetze verlangt. Es sei "eine Kernfrage, dass wieder die Politik zuständig wird", sagte Gysi am Donnerstag in der Aussprache des Bundestags über die Energiewende der Regierung. Es sei eine Frage der Demokratisierung, dass die Politik die Entscheidung über zentrale Fragen wie die Energie- und Wasserversorgung oder die Bildung habe. Auch Stromnetze gehörten "in öffentliche Hand, denn sie sind ein Machtinstrument".

Nötig sei dabei auch eine staatliche Strompreiskontrolle und ein Verbot von Stromsperren für Arme. Derzeit bestimmten die vier großen Stromkonzerne die Preise nach eigenem Belieben. "Die vier Konzerne telefonieren miteinander und verabreden sich dann, wie sie uns abzocken", sagte Gysi. Die Energieversorger hätten in den vergangenen Jahren 100 Milliarden Euro an Profiten eingestrichen.

Gysi bekräftigte zudem die Forderungen der Linken nach einem viel rascheren Atomausstieg schon bis 2014 und nach einer Verankerung des Ausstiegs im Grundgesetz. Die nötige Mehrheit für eine Verfassungsänderung gebe es, denn alle Fraktionen seien sich einig. Wer sich dennoch dagegen wende, wolle einen "Atomausstieg mit Rückfahrkarte", meinte Gysi. (dapd/afp)