Essen. . Mögliche Stromausfälle versus mögliche Atom-Katastrophen. Atomausstieg versus Nicht-Ausstieg. Bei „Hart aber fair“ landeten Fragen zur Energiewende in einer illustren Runde mit Wolfgang Clement, Jürgen Trittin und Norbert Röttgen.

Nur noch elf Jahre, dann soll das letzte Atomkraftwerk auf deutschem Boden für immer abgeschaltet werden. Ist das Fluch oder Segen? Sind wir jetzt Deppen oder Helden? Auf diese Fragen kann die muntere Talkrunde bei „Hart aber fair“ am Mittwochabend in der ARD leider keine eindeutigen Antworten geben. Und dennoch entspannt sich an Frank Plasbergs Talktisch eine kurzweilige und bisweilen durchaus unterhaltsame Debatte rund um die Risiken des Atomausstiegs, bei der vor allem einer groß auftrumpft: Wolfgang Clement.

Wie zu seinen besten Zeiten als „Superminister“ in Gerhard Schröders Kabinett poltert Clement derart ausgelassen durch die Runde, dass es eine wahre Freude ist. Der ewige Grantler und Miesepeter ist auch vom routinierten Moderator Plasberg nur schwer zu stoppen und gerät besonders dann in Fahrt, wenn er gegen seinen ehemaligen Koalitionspartner ironische Spitzen verteilen darf. Denn der sitzt auch mit am Tisch: Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hat Mühe, gegen Clements energischen Redeschwall anzukommen.

Clement: „Der deutsche Alleingang ist rücksichtslos und vernichtet Vermögen“

Clement, soviel scheint klar, ist auch für einen Atomausstieg. Aber gegen die große Eile, mit der er von der Regierung jetzt angekurbelt wird. „Unsere eigentliche Aufgabe ist eine Verhinderung des Klimawandels“, sagt er und schaut scharf über seine winzige Lesebrille. „Ich bin gegen diese wahnsinnige Hektik, mit der der Atomausstieg jetzt geschieht. Der deutsche Alleingang ist rücksichtslos und vernichtet Vermögen. Und das alles ohne überzeugenden Grund.“

Aber sind die Sorgen vor den unkalkulierbaren Risiken der Atomkraft so unberechtigt? Umweltminister Norbert Röttgen vollführt an diesem Abend den gewiss nicht einfachen Balanceakt, auf die dringende Notwendigkeit des Atomausstiegs hinzuweisen, ohne gleichzeitig in Panikmache verfallen zu wollen. „Einen Tsunami wird es in Deutschland nicht geben, aber vor Flugzeugabstürzen sind unsere AKW nicht gewappnet“, mahnt er. „Der GAU in Japan war eine weltweite Zäsur, und die Politik muss in der Lage sein, darauf zu antworten.“

Böser „Blackout“

Aber wie antwortet die Politik, wenn im Winter in Deutschland plötzlich der Strom ausfällt? Wenn die große Dunkelheit übers Land zieht? Acht AKW, rechnet Plasberg gerne vor, seien jetzt schon nicht mehr am Netz. Doch wenn die Kälte kommt, drohen da Engpässe? Das böse Wort vom „Blackout“ macht die Runde. Ob Röttgen garantieren könne, dass es dazu nicht kommt, möchte Plasberg von ihm wissen – und da gerät der sonst so wortgewandte Umweltminister etwas ins Stottern. „Wir werden alle Maßnahmen ergreifen, dass es zu keinen Stromausfall kommt“, windet er sich heraus und wiederholt diese Phrase etwa fünfmal in jeweils wechselnder Wortwahl.

Da schlägt die Stunde von Roland Tichy, Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, der Röttgen und der Regierung „unkalkulierbare Risiken“ bei möglichen Stromausfällen vorwirft. „Sie spielen Risiko mit der Bevölkerung“, warnt er. Der rasante Atomausstieg sei nur zustande gekommen „aus Angst, dass ihnen die Wähler davonlaufen. Eine solche Wendehals-Politik verabscheue ich!“ ruft er. Blasser bleibt dagegen Daniel Goeudevert, ehemaliger Manager bei VW und Ford, der wie zum Vergleich den großen Stromausfall in New York im Jahr 1977 anführt. „Danach“, meint er, „stieg die Geburtenrate in New York enorm an.“ Kann also gemütlich werden, so ein Blackout.

Trumpf der Grünen

Rechts neben Röttgen sitzt Jürgen Trittin, selten haben die Herren der CDU und der Grünen in solcher Eintracht nebeneinander gesessen. Trittin hat zu der Diskussion eigentlich relativ wenig beizutragen. Vielmehr, so scheint es, sonnt er sich im Angesicht der jüngsten Wahlerfolge und lächelt verschmitzt in sich hinein. Als Plasberg von ihm wissen will, ob die lebenslangen Ziele der Grünen mit dem Atomausstieg nicht überholt seien (und die Partei gleich mit), spielt Trittin genüsslich seine „Wir haben es ja immer gewusst“-Trumpfkarte aus. „Wenn am Ende alle sagen: ‚Die Grünen hatten Recht’, dann kann das nicht schaden“, meint er und kassiert dafür von Wolfgang Clement ein mitleidiges Lächeln.

Am Ende von „Hart aber fair“ darf sich immer Volkes Stimme zu Wort melden. Plasbergs Assistentin liest ausgewählte Zuschauerstimmen vor – und da ist eine dabei, die so simpel wie super ist. Die Frau schreibt: „Ich esse an Weihnachten lieber kalte Gans, als dass mir ein Atomkraftwerk um die Ohren fliegt.“ Wer mag der Dame widersprechen?