Berlin. . Das Bundeskabinett hat am Montag in Berlin den beschleunigten Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie beschlossen. Geplant ist, die bislang noch neun in Betrieb befindlichen Meiler zwischen 2015 und 2022 schrittweise abzuschalten.

Das Kabinett hat das Ende der Atomkraft in Deutschland bis 2022 beschlossen. Die Ministerriege billigte am Montag nach Informationen aus Regierungskreisen das umfangreiche Gesetzespaket, das gleichzeitig den Umstieg auf eine alternative Energieversorgung beschleunigen soll. Bis zum 8. Juli sollen Bundestag und Bundesrat die Vorhaben endgültig unter Dach und Fach bekommen.

Kernstück des Pakets ist die Novelle des Atomgesetzes, das die schrittweise Abschaltung der 17 deutschen Reaktoren regelt. Acht davon - die sieben ältesten Meiler und das Atomkraftwerk Krümmel - sind bereits abgeschaltet und sollen sofort dauerhaft stillgelegt werden, die übrigen zwischen 2015 und 2022.

Förderung der Sanierung von Gebäuden

Dafür zeichnet sich folgende Reihenfolge für die Abschaltung ab: Nach Grafenrheinfeld im Jahr 2015 könnte 2017 Gundremmingen B und 2019 Philippsburg II abgeschaltet werden. 2021 sollen das AKW Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C vom Netz gehen. 2022 folgt das Aus für Neckarwestheim II, Isar II und Lingen.

Für den Umstieg muss das Stromnetz ausgebaut werden: 3.600 Kilometer Hochspannungstrassen sollen errichtet werden. Teil des umfangreichen Gesetzespakets sind deshalb Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus. Statt bisher im Schnitt zehn Jahre soll es künftig nur noch vier Jahre dauern, eine Stromleitung zu planen und zu bauen, wie Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ankündigte. Er nannte das Gesamtpaket ein vernünftiges Konzept.

Energetische Sanierung

Teil davon sind auch Anstrengungen zum Energiesparen in Gebäuden. Obwohl das nichts mit der Stromversorgung oder dem Atomausstieg zu tun hat, lautet das Argument: Bessere Dämmung und Fenster können zum Beispiel Gas beim Heizen sparen, das letztlich künftig für die Stromversorgung gebraucht wird.

Dazu soll das Förderprogramm zur energetischen Sanierung von Altbauten von rund 500 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt werden, wie Bauminister Peter Ramsauer (CSU) sagte. Zudem sollen Sanierungen wieder steuerlich über eine Abschreibung der Investitionen über zehn Jahre gefördert werden, was den Steuerzahler am Ende ebenfalls 1,5 Milliarden Euro kosten wird. Ramsauer verwies darauf, dass die Gebäudesanierung auch dem Klimaschutz helfe.

"Ein Meilenstein"

Röttgen sagte: "Ich bin davon überzeugt, dass die Beschlussfassung vom heutigen Tag einen Meilenstein in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung unseres Landes darstellt." Ein einstiges Kampfthema werde nun in einen gesellschaftlichen Konsens überführt.

Röttgen ist nicht nur für die Novelle des Atomgesetzes mit der schrittweisen Abschaltung der Reaktoren zuständig, sondern auch für die Förderung von Ökostrom über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). In einer Novelle sollen die Fördersätze so angepasst werden, dass vor allem der Ausbau von Windkraft auf hoher See schneller vorankommt.

Gleichzeitig sollen sehr viel mehr Unternehmen als bisher von den Kosten dieser Förderung, die über den Strompreis umgelegt wird, entlastet werden. Dies soll vor allem dem Mittelstand helfen, wie Rösler ankündigte. Dafür stünden 500 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds der Regierung zur Verfügung, sagte Rösler. Über die Fortführung des Strompreisausgleichs für energieintensive Unternehmen würden zudem bereits Gespräche mit der Europäischen Union geführt.

Für Privatkunden gibt es vergleichbare Entlastungen nicht - im Gegenteil. Je weniger Wirtschaftsunternehmen sich an der Umlage beteiligen, desto mehr müssen normale Verbraucher schultern. Rösler schätzte die Mehrkosten für einen vierköpfigen Haushalt auf 35 bis 40 Euro im Jahr.

SPD stellt Zustimmung in Aussicht

Da die Regierung weitgehend auf Forderungen der Länder und der Opposition eingegangen ist, zeichnet sich ein breiter Konsens ab. Die SPD könnte zustimmen, sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann in der ARD. Voraussetzung sei, dass der Ausstieg stufenweise und unumkehrbar geregelt werde.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte im SWR, die Billigung hänge davon ab, ob mit dem Gesetzespaket eine "ergebnisoffene, vergleichende" Suche nach einem Endlager für Atommüll gewährleistet werde. Außerdem dürfe es beim Ausbau erneuerbarer Energien "keine Deckelung" geben. Die Grünen wüssten aber, dass es auch Kompromisse geben und sich "beide Seiten einen Schritt bewegen" müssten. Wichtig sei, dass die Novelle keine "Tricks" enthalte.

Die Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt" drängt die Grünen allerdings, nicht zuzustimmen. Der geplante Atomausstieg bis 2022 öffne Tür und Tor für eine spätere Revision der Beschlüsse. (dapd/afp)