Bonn. Brauchen wir mehr Kinder- und Jugendschutz im Internet? Das ist eines der Themen, das mehrere hundert Teilnehmer an diesem Wochenende beim Politcamp in Bonn diskutieren. Und anders als oft üblich, dürfen hier auch die Jugendlichen selbst mitreden.

Wenn die FDP im Plenarsaal im Alten Wasserwerk in Bonn auf dem Platz des Bundeskanzlers sitzt und sich die Regierungsbank mit CDU, SPD und den Grünen teilt – dann ist Politcamp11. Zu ihrer dritten Auflage ist die Tagung, deren Medienpartner DerWesten ist, von Berlin nach Bonn umgezogen. In historischer Kulisse und in den benachbarten Räumen der Deutschen Welle diskutieren mehrere hundert Teilnehmer am Wochenende über Politik, das Netz und Netzpolitik.

Im Keller des Wasserwerks zeugen noch winzige, durchnummerierte Telefonkabinen davon, wie Informationen vor gerade mal 20 Jahren aus dem Bundestag drangen. Oben, im altehrwürdigen Plenarsaal, geht es um die Netzpolitik von heute, ums Internet und seine Bedeutung für Politik und Gesellschaft, um soziale Medien und wie sie uns alle beeinflussen.

Kaum einer kommt ohne Smartphone

Hier ist das Web2.0. Kaum ein Teilnehmer im Saal ist ohne Smartphone, Netbook oder Tablet gekommen. Während auf dem Podium die erste Diskussionsrunde über die Rolle des Social Web für die arabische Revolution diskutiert, tauscht sich das Publikum via Twitter aus. Auf einer Leinwand hinter den Diskutanten werden deren Aussagen kommentiert und kritisiert, wird gelästert und gelobt.

Drei Diskussionsrunden sind für den Vormittag angesetzt; nachmittags nimmt das Politcamp als klassisches Barcamp seinen Lauf. Worüber gesprochen wird, legen die Teilnehmer dann selbst fest. Und am Morgen wird auf der Twitterwall hinter dem Podium nur allzu deutlich, dass sich viele der Teilnehmer nach den Nachmittagsrunden sehnen.

Häme für den FDP-Mann

Die Diskussion über die Jasminrevolution finden viele redundant und zu oberflächlich, und als Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion stolz berichtet, dass er seine Bürgersprechstunden mittlerweile via Foursquare in den ICE von Hamburg nach Berlin verlegt, gibt es hämische Kommentare. Auch die Frage, wie Kinder- und Jugendschutz im Netz aussehen kann, wird vielen nicht tiefgehend genug behandelt. Deshalb setzen einige Dutzend Interessierte das Thema am Nachmittag fort.

„Hallo“, sagt David (16) vor versammelter Mannschaft, „ich bin hier der Jugendliche.“ Um ihn geht es also. Und er sagt: „Ich finde, dass die Diskussion an den Jugendlichen vorbei geht.“ Max, ebenfalls 16 Jahre alt, und ein weiterer David (19) gesellen sich in der Diskussionsrunde zu ihm. Nun mögen die drei Jungs nicht repräsentativ für ihre Generation sein: Alle drei gehen sie aufs Gymnasium, alle drei sind sie politisch aktiv – der eine bei der Grünen Jugend, der andere bei den Jusos, der dritte bei den Jungen Piraten. Aber sie vermitteln den Anwesenden deutlich, was auf den Computern der Jugend Realität ist.

Schon Fünftklässler umgehen die Filter

Pornos bei YouPorn oder Gewaltspiele habe „fast jeder“ schon mal gesehen. „Ich kenn keinen“, sagt Max, „der nicht schon mal mit so was Kontakt hatte. Ich kenn aber auch keinen, der sagt, das hat mein Leben zerstört.“ Und Sperren? „Davon halte ich absolut nichts“, sagen alle drei. Schon Fünftklässler wüssten an ihrer Schule, wie man Filter umgehe. Und während jeder Teenager mehrere Stunden täglich am Computer und im Internet verbringe, beschränke sich die Zeit der Computernutzung in der Schule auf wenige Stunden im Monat.

Die Schlussfolgerung der drei Schüler: „Ich finde, die Eltern und Lehrer müssten erst mal Medienkompetenz bekommen.“ Einige Schulstunden zum Thema Tageszeitung reichten nicht mehr aus. „Heute ist man beim Medienkonsum nicht mehr nur Empfänger, sondern auch Sender“, konstatiert David. Das aber werde in der Schule ebenso wenig thematisiert wie Cybermobbing. „Internetsperren“, sagt Max, „können keinen Erziehungsauftrag ersetzen.“ Man könne doch Kindern und Jugendlichen online nicht 18 Jahre lang eine heile Welt vorspielen und sie dann plötzlich auf die Realität loslassen.

Also? Keine Sperren, fordern die Jugendlichen ebenso wie die meisten Politcamp-Teilnehmer im Raum. Stattdessen: Zum Beispiel Laptops für alle Schüler, möglichst früh in der Schullaufbahn. „Dann“, sagt Max, „müssten sich wenigstens auch die Lehrer damit befassen.“