Essen. . Wie funktioniert Wahlkampf im Internet? Wie schütze ich meine Daten auf Facebook? Und wie funktionierte die Jasmin-Revolution in Nordafrika? Fragen, die beim Politcamp in Bonn diskutiert werden.

Netzpolitik und politische Kommunikation im Web - diese Themen stehen beim Politcamp am 4. und 5. Juni in Bonn an. Im ehemaligen Bundestag treffen sich Politiker, Datenschützer und User, um in Barcamp-Atmosphäre zu diskutieren. Wahrscheinlich mit dabei: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Beim Politcamp 2010 war Kristina Schröder der berühmteste Gast auf dem Podium. Wer kommt diesmal?

Valentin Tomaschek: Hannelore Kraft haben wir eingeladen, aber wir warten noch auf eine feste Zusage. Aus NRW kommt auf jeden Fall Thomas Jarzombek von der CDU, der Mitglied der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ ist. Der Berlin-Korrespondent von Al Jazeera wird uns in einigen Diskussionsrunden zur Verfügung stehen. Auch der Meedienstaatssekretär Marc Jan Eumann wird mit uns über effektiven Kinderschutz und auch den Jugend Medienschutz Staatsvertrag diskutieren. Grundsätzlich haben wir uns in erster Linie darauf beschränkt, möglichst Experten nach Bonn zu holen. Wir haben also aus jeder Partei die Vertreter der Enquete-Kommission dabei, die einen Zwischenstand ihrer Arbeit abliefern werden.

Im vergangenen Jahr wurde in Berlin viel über den Online-Wahlkampf zur Landtagswahl in NRW diskutiert. Wird es da einen Rückblick geben?

Tomschek: Auf jeden Fall wird der Wahlkampf noch einmal beleuchtet. Ich weiß, dass mehrere Experten aus Agenturen kommen werden, die in NRW ansässig sind und den Online-Wahlkampf in NRW mitgemacht haben. Da wird es sicherlich ein oder zwei Sessions zu geben, die im Barcamp entstehen werden.

Facebook wird immer wichtiger im Privaten. Werden soziale Netzwerke thematisiert?

Tomaschek: Wir werden eine Sonder-Session zum Thema Datenschutz haben, weil es ein sehr heiß diskutiertes Thema ist und den 45-Minuten-Rahmen sprengt. Deswegen haben wir das Thema auf den Samstagabend gelegt. Beim traditionellen Grillen, diesmal in der Rheinaue, werden Konstanze Kurz vom Chaos Computer Club und Julia Schramm von der „datenschutzkritischen Spackeria“, wie sie sich selbst nennen, bei Barbecue und Bierchen diskutieren. Beim privaten Datenschutz stehen sich immer zwei harte Fronten gegenüber: Die einen fordern einen Schutz privater Daten, die anderen wollen am liebsten alles offen legen. Vielleicht gelingt in einer gemütlichen Atmosphäre eine lockere Gesprächsrunde dazu.

Und der politische Bereich? Stichwort: Jasmin-Revolution.

Tomaschek: Am Sonntag gibt es dazu eine Session der Deutschen Welle: Verschiedene DW-Referenten für Nordafrika werden das Thema beleuchten, genauso wie Christoph Kappes, der einen sehr fundierten Artikel bei Carta.info veröffentlicht hat, und der Berlin-Korrespondent von Al Jazeera. Sie werden erklären, ob und, wenn ja, wie man mit Twitter und Facebook eine Revolution starten kann.

Was ist mit der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg, die online und somit in aller Öffentlichkeit zerpflückt wurde? Müssen sich Politiker viel mehr auf die Macht des Internets einstellen?

Tomaschek: Naja, zu Guttenberg hat mit seinem Rücktritt einen Schlussstrich gezogen, damit ist das Thema für mich persönlich eigentlich durch. Wobei aktuell ja auch Silvana Koch-Mehrin mit ihrer Arbeit in der Kritik steht, aber ob beim Politcamp eine Doktortitel-Plagiats-Diskussion aufgegriffen wird, ist den Nutzern selbst überlassen. Wir als Veranstalter greifen das Thema in unseren Sessions zumindest nicht mehr auf.

Das Politcamp findet im Juni im Wasserwerk, dem ehemaligen Bundestag in Bonn, statt. Welche Atmosphäre ist zu erwarten im Vergleich zum Radialsystem in Berlin?

Tomaschek: Eigentlich wollten wir bereits 2010 das Politcamp in Bonn machen, was aus verschiedenen Gründen nicht geklappt hat. In diesem Jahr werden wir von der Stadt, der Deutschen Welle und natürlich auch wieder vom Bundesfamilienministerium unterstützt. Auf Anregung der Community haben wir den Aufbau des Politcamps gesplittet: Vormittags werden wir drei Sessions als Veranstalter festlegen und die Diskussionen im alten Bundestag durchführen, parallel laufen keine weiteren Sessions. Nach der Mittagspause wechseln wir dann in die Räume der Deutschen Welle, wo die Teilnehmer für die Session-Planung zuständig sind. Die Erfahrung der letzten Jahre besagt, dass wir keine Probleme haben werden, auch diese Zeit mit guten Inhalten und Diskussionen zu füllen.

Beim Politcamp 2011 sollen die Themen in den Sessions noch konkreter, noch nachhaltiger behandelt werden, steht auf der Homepage. Was heißt das?

Tomaschek: Inhaltlich treten wir aus unserem kleinen Bereich raus und wagen mal die internationale Sicht auf die Netzpolitik, was etwa Zensur oder Netzsperren angeht. Auch werden wir wieder zusammen mit dem IJAB e.V. viele Jugendliche zur Unterkonferenz „JugendPolitCamp“ schon einen Tag vorher einladen, um mit ihnen und verschiedenen Referenten eine Vorbereitung zu erarbeiten, so dass die Jugendlichen sich am eigentlichen Politcamp inhaltlich gut einbringen können. Technisch wollen wir versuchen, jede Session im Live-Stream anzubieten – die Panels werden auch aufgezeichnet. Außerdem werden die Sessions des Barcamps protokolliert. Das freut mich auch persönlich, so bekomme ich neben der Organisation auch mehr Inhaltliches mit.

Im letzen Jahr war beim Politcamp „Foursquare“ der angekündigte Hype. Wo waren Sie zuletzt „Mayor“?

Tomaschek: Wo ich mich zuletzt eingecheckt habe? Auf keinen Fall zu Hause, so was mache ich nicht. Da müsste ich wohl auf meinem Facebook-Profil nachschauen. Ich glaube nicht, dass Foursquare beim Politcamp noch eine große Rolle spielt, in den Diskussionen zumindest nicht. 2009 haben wir sehr viel über Twitter diskutiert. Das sind alles Tools oder Werkzeuge, die sich bewähren und alltäglich werden – oder auch nicht. Einmal im Jahr gibt es einen neuen Hype wie zum Beispiel den angeblichen Facebook-Killer 2010, dessen Name mir jetzt schon nicht mehr einfällt [„Diaspora“, Anmerkung der Redaktion], der nach einem Jahr schon wieder vergessen ist. Ich bin gespannt, was es dieses Jahr wird.

DerWesten ist auch in diesem Jahr Medienpartner des Politcamps.