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Wenn mehr Politiker zusammenkommen als aufs Podium passen, um über den Online-Wahlkampf in NRW zu diskutieren – dann geht’s ums Politcamp. Das startet am Samstag in Berlin. Warum auch die Piratenpartei mitreden darf, obwohl sie keine Abgeordneten stellt, erklärt Initiator Valentin Tomaschek.
Beim zweiten Politcamp steht in diesem Jahr unter anderem die Landtagswahl in NRW und der dazugehörige Wahlkampf auf dem Programm. Wer kommt denn, und worum genau wird es gehen?
Valentin Tomaschek: Wir haben Vertreter aus allen Parteien aus NRW da, zumindest von denen, die im Landtag vertreten sind. Wir werden am Sonntag zwei relativ große Sessions zu dem Thema machen. Die erste ist quasi CDU gegen SPD mit Blick auf den Wahlkampf der Spitzenkandidaten. In der zweiten Stunde geht es um die kleinen Parteien. Zum Schluss werden wir eine allgemeine Fragerunde mit den Teilnehmern haben.
Wo ist dabei der Online-Aspekt?
Tomaschek: Wir haben die Macher der Online-Wahlkämpfe zu Gast. Zum Beispiel Oliver Zeisberger von der Barracuda-Agentur, die den Online-Wahlkampf für die NRW-SPD macht. Ihm gegenüber steht Andreas Jungherr, der für die CDU aktiv ist. Die Diskussionen werden sich somit nicht um den klassischen, sondern um den Online-Wahlkampf drehen.
Hat die online-affine Piraten-Partei einen besonderen Status bei der Veranstaltung?
Tomaschek: Die Piraten-Partei läuft in dem Sinne gesondert mit, als dass sie einen Achtungserfolg eingefahren hat: zwei Prozent bei der Bundestagswahl. Deswegen beziehen wir sie bei Sessions mit ein, obwohl sie nirgendwo im Landtag vertreten sind oder im Bundestag sitzen. Deswegen haben sie schon eine Art Sonder-Status. Sie sind aber ein sehr wichtiger Teil in den Diskussionen.
Eigentlich sollte das Politcamp wegen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Warum ist es jetzt doch wieder in Berlin?
Tomaschek: Das hat einerseits mit dem Insolvenzverfahren der Betreibergesellschaft des WCC in Bonn zu tun, zu dem der alte Bundestag gehört, wo das Politcamp in NRW stattfinden sollte. Andererseits mit der nicht sehr unterstützenden Haltung der Zentrale für politische Bildung in NRW. In Berlin unterstützt uns das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die öffentliche Förderung ist wesentlich besser. Deswegen haben wir das Politcamp wieder nach Berlin verlegt.
Kommen in diesem Jahr mehr Politiker als 2009? Und ist es eine ausgewogene Parteien-Mischung?
Tomaschek: Absolut. Wir haben zwölf Bundestagsabgeordnete aus allen Parteien dabei. Es ist auch sehr ausgeglichen sowohl bei den Politikern als auch bei den Teilnehmern. Wir haben schon fast mehr Politiker da, als wir in den Sessions unterbringen können. Auch sind die Politiker oft auf uns zugekommen und haben gefragt, ob sie sich beteiligen können. Drei oder vier Bundestagsabgeordnete sitzen gar nicht auf dem Podium, sondern setzen sich zu den normalen Teilnehmern ins Publikum, um zuzuhören, mitzudiskutieren und es einfach zu erleben.
Das erste Politcamp liegt jetzt ein Jahr zurück. Hat sich in der Zeit schon die Wahrnehmung der Politik im Netz verändert? Wird Politik im Internet ausreichend wahrgenommen?
Tomaschek: Ich glaube, das müsste man umdrehen. Das Netz wird jetzt mehr in der Politik wahrgenommen. Die Kritik zum Beispiel am Zugangserschwerungsgesetz war ja, dass die Politik alleine entschieden hat und nicht die Netzgemeinde mit einbezogen hat. Da wurde sehr unbedarft gehandelt. Das ist jetzt auf jeden Fall anders. Dies zeigen viele verschiedene Beispiele. Es gibt jetzt wesentlich mehr Bereitschaft, zum einen was die Unterstützung des Politcamps angeht, zum anderen was die Diskussionen mit der Netzgemeinde angeht. Der Bundesinnenminister trifft sich etwa mit Vertretern aus dem Netz wie Markus Beckedahl oder Sascha Lobo. Das hätte vor einem, eineinhalb Jahren wohl noch niemand gedacht.
Zensur im Internet zum Beispiel wurde in der Netzwelt stark diskutiert und war ein präsentes Thema. Können sich auch Parteien im Netz besser vermarkten und so interessanter werden?
Tomaschek: Die Parteien nutzen ja mehr und mehr die Kommunikationsmittel und Plattformen, die wir im Netz haben. Vor eineinhalb Jahren konnte man Politiker kaum online erreichen. Man schrieb eine Email an das Büro, die wurde dann eine Woche später beantwortet. Wenn ich heute Terminanfragen an Politiker wie Volker Beck oder Matthias Groote sende, schicke ich ihnen per Twitter oder Facebook eine Nachricht. Dann bekomme ich relativ schnell eine Antwort. Ich glaube, das ist ein großer Gewinn, dass man den Politiker jetzt direkt erreichen kann – und auch in dieser Geschwindigkeit. Die Parteien holen sich inzwischen auch mehr Feedback übers Netz und rufen zur Partizipation auf. Das geht schon vorwärts.
Das ist dann der Rückkanal, der jetzt mehr genutzt wird. Bei Twitter zum Beispiel.
Tomaschek: Man muss die klassischen Medien wie Zeitschriften und Zeitungen nicht ausblenden. Aber es ist ab und zu auch ganz gut ungefilterte Meinungen zu bekommen, die nicht von einer Redaktion geprüft wurden. Wenn ein Bundestagsabgeordneter oder ein Mandatsträger bei Twitter nach einer Meinung fragt und dazu 40 oder 60 Antworten bekommt, kann ihm das bei der Positionsfindung helfen. Das ist ein enormer Vorteil.
Was können Politiker, die zum Politcamp kommen, lernen?
Tomaschek: Es geht vor allem um die Diskussion und darum, verhärtete Fronten zum Beispiel beim Thema „Zensursula“ aufzubrechen und mal wieder konstruktiv miteinander zu sprechen. Das fehlt ja manchmal leider ein bisschen. Wir haben diesmal nicht nur den Online-Wahlkampf als Thema, sondern auch viele netzpolitische Themen wie Netzneutralität oder den Medienschutz-Staatsvertrag. Da können Teilnehmer und Politiker aus einer Diskussion extrem viel mitnehmen.
Das Politcamp findet am Wochenende, 20. und 21. März, im Berliner Radialsystem V statt. Weitere Informationen gibt’s auf der Homepage.
DerWesten unterstützt das Politcamp 2010 als Medienpartner.