Berlin. Der Bundesrat hat das letzte große Gesetzespaket der Großen Koalition vor der Wahl endgültig unter Dach und Fach gebracht. Zu dem Mammutprogramm von 62 Gesetzesbeschlüssen gehören die Einrichtung von Bad Banks, strengere Regeln für Managergehälter und eine schärferes Waffenrecht.
Der Bundesrat hat das letzte große Gesetzespaket der Großen Koalition vor der Wahl endgültig unter Dach und Fach gebracht. Zu dem Mammutprogramm von 62 Gesetzesbeschlüssen gehören die Einrichtung von Bad Banks, strengere Regeln für Managergehälter und eine schärferes Waffenrecht. Da der Bundesrat, unabhängig von Wahlen, «ewig» tagt, können letzte Vorhaben der Koalition noch bei der Sitzung der Länderkammer am 18. September verabschiedet werden.
Die wichtigsten Gesetzesbeschlüsse vom Freitag im Überblick:
- BAD BANKS: Mit der Entsorgung risikoreicher Wertpapiere in sogenannten Bad Banks können nun Geschäftsbanken und Landesbanken ihre Bilanzen so bereinigen, dass sie trotz Krise Kredite an die Wirtschaft ausreichen können. Schrottpapiere, die stetig an Wert verlieren und die Bilanzen belasten, können in eigene Zweckgesellschaften auslagert werden. Die Banken haben bis zu 20 Jahre Zeit, die Verluste abzustottern.
- MANAGERGEHÄLTER: Künftig müssen Vorstandsmitglieder in Schadensfällen unter Umständen selbst haften. Der Aufsichtsrat kann die Bezüge der Manager leichter kürzen. Damit Entscheidungen der Unternehmensspitze nachhaltig ausfallen, können Aktienoptionen künftig erst nach vier und nicht wie bisher nach zwei Jahren eingelöst werden. Vorstandsmitglieder dürfen nach ihrem Ausscheiden drei Jahre lang nicht Aufsichtsratsmitglied im selben Unternehmen werden.
- WAFFENRECHT: Als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden werden Waffenbesitzer strenger kontrolliert - auch ohne Verdacht zu Hause. Illegale Waffen dürfen bis Ende dieses Jahres straffrei abgegeben werden. Die Altersgrenze für das Schießen mit großkalibrigen Waffen wird von 14 auf 18 Jahre angehoben. Eingeführt wird zudem ein elektronisches Waffenregister für ganz Deutschland.
- KASSENBEITRÄGE: Arbeitnehmer können ab Januar 2010 ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung voll von der Steuer absetzen. Steuerlich als Sonderausgaben angerechnet werden Zahlungen zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung - aber nur bis zu der Höhe, die den gesetzlichen Basisleistungen entspricht. Diese Gesetzesänderung hatte das Bundesverfassungsgericht verlangt.
- KINDERPORNOGRAFIE: Solche Seiten werden im Internet künftig gesperrt. Nutzer in Deutschland sehen künftig ein Stoppschild, wenn sie eine gesperrte Seite anklicken. Strafrechtlich hat das Anklicken für sie keine Folgen. Die Liste der gesperrten Seiten wird vom Bundeskriminalamt geführt und von einem fünfköpfigen unabhängigen Kontrollgremium beim Bundesdatenschutzbeauftragten überwacht.
- RENTEN UND KURZARBEIT: Künftig bleiben die Renten in Deutschland auch dann stabil, wenn die Löhne über das Jahr sinken. Ab dem siebten Monat Kurzarbeit können Sozialversicherungsbeiträge voll von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden. Für Mitarbeiter, die sich während der Kurzarbeit weiterbilden, können die Beiträge von Anfang an übernommen werden.
- PATIENTENVERFÜGUNG: Nach sechs Jahren intensiver Diskussion ist jetzt gesetzlich geregelt, dass der Wille eines Patienten bei der Anordnung lebenserhaltender Maßnahmen Vorrang hat. Damit herrscht mehr Rechtsklarheit bei der medizinischen Behandlung von Menschen, die infolge eines Unfalls oder Krankheit ihre Entscheidungsfähigkeit verloren haben. Bislang war umstritten, unter welchen Umständen Ärzte oder Betreuer an den vorab formulierten Patientenwillen gebunden sind.
- STEUERHINTERZIEHUNG: Im Kampf gegen Steuersünder gelten jetzt schärfere Regeln. Ein neues Gesetz erlegt den Bürgern erweiterte Informationspflichten auf, wenn sie Geschäfte in international geächteten Steueroasen machen oder dort Geld anlegen. Macht der Steuerzahler nicht mit, kann ihm das Finanzamt in Deutschland Vergünstigungen streichen, zum Beispiel den Abzug seiner Betriebsausgaben und Werbungskosten.
- FINANZMARKTAUFSICHT: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) darf früher als bisher ein Gewinnausschüttungsverbot aussprechen. Zudem kann die Behörde höhere Anforderungen an die Eigenmittel und an die Liquidität der Banken stellen.
- AGRARDIESEL: Die Steuer auf Agrardiesel wird wieder auf 25,65 Cent gesenkt. Per Gesetz werden die Land- und Forstwirte im Jahr 2009 und 2010 um jeweils etwa 285 Millionen Euro entlastet. Der bisherige «Selbstbehalt» von 350 Euro je Betrieb bei der Rückvergütung der Mineralölsteuer entfällt bis 2010, ebenso die Deckelung auf maximal 10.000 Liter je Betrieb.
- GEHEIMDIENSTE: Die Befugnisse des Bundestags zur Kontrolle von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst werden deutlich ausgeweitet. Zudem wird die Tätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) durch eine Verankerung im Grundgesetz aufgewertet.
- FLUGSICHERUNG: Künftig kann grundsätzlich jede nach dem EU-Recht zugelassene Flugsicherungsorganisation diese Aufgabe auch in Deutschland übernehmen. Eine Verfassungsänderung schafft die Voraussetzungen für einen Einheitlichen Europäischen Luftraum (Single European Sky). Einen ersten Gesetzesvorschlag dazu hatte Bundespräsident Horst Köhler nicht unterzeichnet.
- SYNTHETISCHES HEROIN: Schwerst Suchtkranke können künftig unter strenger Kontrolle mit synthetischem Heroin versorgt werden. Dieses Diamorphin gilt somit nicht mehr als illegale Droge, sondern wird als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel zugelassen. Damit soll Abhängigen geholfen werden, die nicht mit dem Ersatzstoff Methadon behandelt werden können.
- HAFTENTSCHÄDIGUNG: Die Entschädigungspauschale für zu Unrecht erlittene Haft wird von elf auf 25 Euro pro Tag mehr als verdoppelt. Sie war seit 1988 nahezu unverändert geblieben. Die Erhöhung wurde unter anderem mit der beträchtlichen Preissteigerung seit mehr als 20 Jahren begründet.
- ANTI-TERROR-GESETZE: Künftig kann schon die bloße Absicht, einen Anschlag zu verüben, mit bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Strafbar sind der Aufenthalt in Terrorcamps und die Anleitung zum Bombenbasteln im Internet. Außerdem soll eine neue Kronzeugenregelung die Täter zum Verrat animieren. Auch Absprachen vor Gericht sind jetzt geregelt. (ap)