Washington. . Dominique Strauss-Kahn darf das Gefängnis verlassen, doch die Auflagen sind immens. Der ehemals mächtige Chef des Internationalen Währungsfonds IWF wartet ab Samstag im Hotelappartement auf seinen Prozess – mit Fußfessel und Wachen vor der Tür.

Beim geringsten Verstoß geht es zurück in die Zelle – Richter Michael Obus hat Dominique Strauss-Kahn den Ernst der Lage unter die Nase gerieben. Strauss-Kahns Freilassung auf Kaution ist ein Entgegenkommen der Justiz. Doch die Bedingungen, denen sich der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds dafür unterwerfen muss, sind drakonisch und beispiellos in der New Yorker Justiz­geschichte.

Eine Million Dollar in bar, fünf weitere Millionen in Form von Sicherheiten, eine elektronische Fußfessel, Video-Überwachung in der Wohnung und ein bewaffneter Wachmann vor der Tür – aus Sicht des Richter sind dies geeignete ­Voraussetzungen dafür, „dass Sie hier sein werden, wenn wir Sie brauchen“.

Die Erleichterung war Strauss-Kahn dennoch anzusehen. Er darf nun die karge Zelle auf der berüchtigten New Yorker Gefängnisinsel Rikers Island mit einem möblierten Apartment auf Man­hattans Upper East Side, Höhe Central-Park, eintauschen. Seiner Frau warf er eine Kusshand zu, ehe er abgeführt ­wurde, um eine vorerst letzte Nacht in seiner Zelle zu verbringen. Die Justiz brauchte noch Zeit, um zu prüfen, ob das hinterlegte Bargeld aus sauberen Quellen stammt.

Besuche beim Arzt und in der Synagoge

Ehefrau Anne Sinclair hatte zusammen mit Camille, Strauss-Kahns 26-jähriger Tochter aus zweiter Ehe, die Anhörung im Gerichtssaal aus der ersten Reihe der Zuschauerbänke verfolgt. Die möblierte Wohnung im „Bristol Plaza“ hatte Sinclair schon Anfang der Woche angemietet. 14 000 Dollar pro Monat kostet eine Zwei-Zimmer-Wohnung in diesem eher gesichtslosen Hochhaus, Zimmer-Service mit täglichem Bettwäsche-Wechsel inklusive. Vom Angebot des Hauses, etwa Theaterkarten reservieren zu lassen, wird Strauss-Kahn keinen Gebrauch machen können. Die Wohnung darf er nur für Besuche beim Arzt oder der Synagoge verlassen. Auch die Zahl privater Besucher ist begrenzt.

Über die Einhaltung dieses Auflagenpakets soll „Stroz Friedberg“ wachen, ein Privatunternehmen, das ei­gentlich auf Computer-Kriminalität spezialisiert ist. Seine Leute hatten schon den ertappten Jahrhundert-Betrüger „Bernie“ Madoff in seinem Haus überwacht, eher er in einem spektakulären Prozess zu 150 Jahren Haft verurteilt wurde.

Auch dem 62-jährigen Strauss-Kahn droht im Falle eines Schuldspruchs eine lange Haft. Summiert man alle Einzelstrafen, wie es im amerikanischen Recht möglich ist, kommt man auf 75 Jahre. Die Kosten für die Überwachung, angeblich bis zu 200 000 Dollar im Monat, muss Strauss-Kahn aus eigener Tasche ­zahlen. New Yorks Steuer­zahler sollen damit nicht ­belastet werden.

Im neuen Anzug

Frisch rasiert, in einem ­neuen, eleganten grauen ­Anzug mit gebügeltem blauem Hemd war der frühere Weltbanker, der binnen einer ­Woche alles verlor, vor dem Richter erschienen. So schnell als möglich wollen Strauss-Kahns Anwälte diese Bilder vergessen machen, die ihren Mandanten so unvorteilhaft erscheinen ließen. Unrasiert und übermüdet, in zerknautschten Kleidern, die Dominique Strauss-Kahn wie einen Streuner aussehen ­ließen, hatte die New Yorker Staatsanwaltschaft ihren prominenten Fang Anfang der Woche vorführen lassen.

Am 6. Juni muss Strauss-Kahn wieder vor Gericht erscheinen, um sich als schuldig oder unschuldig zu bekennen. Bislang beteuert der Franzose, der vor dem Sturz noch als ­Favorit für die nächste Präsidentschaftswahl gehandelt worden war, seine Unschuld. Er bestreitet alle Vorwürfe, letzten Samstag versucht zu haben, ein 32-jähriges Zimmermädchen in seiner Hotel-Suite am New Yorker Times Square zu vergewaltigen. Statt dessen sei der Sex einvernehmlich gewesen, suggerieren seine Verteidiger.

Jury folgt der Anklage

Für die Anklagejury waren die Beweise der Staatsanwaltschaft offenkundig überzeugend genug, um Dominique Strauss-Kahn den Prozess zu machen. Überraschend war das nicht. In der Regel folgen diese Bürger-Jurys den Vorgaben der Anklage. Vom Hotel aus hat Strauss-Kahn nun ­Gelegenheit, sich auf die Prozess-Schlacht vorzubereiten. Das wird kein Spaziergang, sondern ein Marathon über lange Monate. Aus dem „Bristol ­Plaza“ wird Strauss-Kahn so schnell nicht wieder aus­ziehen.