Rostock. Heute beginnt der Parteitag der FDP in Rostock. Er soll nun endlich die Wende bringen, aber bloß kein Scherbengericht über den bisherigen Vorsitzenden Guido Westerwelle.

Die in Umfragen und Wahlen abgestürzte FDP will auf dem heute in Rostock beginnenden dreitägigen Bundesparteitag mit einer neuen Führungsmannschaft die Wende einleiten.

Ein wüstes Scherbengericht über den nach zehn Jahren abtretenden Parteivorsitzenden Guido Westerwelle und den Versuch, ihn auch aus dem Amt des Außenministers zu drängen, wollen maßgebende Liberale um den künftigen Parteichef Philipp Rösler vereiteln. Dabei schreckt man auch vor ungewöhnlichen Maßnahmen nicht zurück.

Dem Berliner Bundestagsabgeordneten Martin Lindner ist nach Informationen der WAZ-Mediengruppe gestern mit Abstrafung gedroht worden, falls er nicht von seinem öffentlich verkündeten Plan ablässt, die rund 650 Delegierten heute offiziell über den Verbleib Westerwelles im Auswärtigen Amt abstimmen zu lassen. Lindners Ansinnen hat in weiten Teilen der FDP-Spitze für helle Aufregung und massive Kritik gesorgt. „Unter aller Sau“ sei der Versuch, Westerwelle vorzuführen und der neuen Spitze um Rösler den Start zu verhageln, sagten mehrere Spitzen-Liberale im Gespräch mit dieser Zeitung.

Weg mit den irrlichternden Einzeltätern

Um Lindner „zur Vernunft zu bringen“, wurde ein Vorratsbeschluss formuliert, ihn gegebenenfalls schon in der nächsten Woche vom Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden wieder zu entbinden, das ihm erst am vergangenen Dienstag zuteil wurde. „Die nötige Mehrheit für die Abwahl ist da“, sagte ein NRW-Abgeordneter dieser Zeitung, „wir wollen Team-Player und keine irrlichternden Einzeltäter mehr.“

Ob sich Lindner davon beeindrucken lässt, wird sich heute Mittag nach der Abschiedsrede Westerwelles in der Rostocker Hanse-Messe zeigen. Mehr als zwei Stunden sind danach für die absehbar kritiklastige Aussprache vorgesehen, bevor die neue Parteispitze gewählt wird.

Hohe Erwartungen an Rösler

Für den Samstag sieht die Parteitagsregie nur noch den Blick nach vorn vor: In seiner Jungfern-Rede als Parteichef wird von Philipp Rösler (38) eine Kursbestimmung erwartet, wie die FDP aus der Krise kommen soll.

Kontroversen in der Sache zeichnen sich in Rostock nicht nur beim Thema Bildung ab. Führende Liberale um Generalsekretär Christian Lindner wollen in der Bildungspolitik erreichen, dass das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz aufgegeben wird. Mehrheitsfähig? Offen. Ausgesprochen kritisch verspricht auch die Debatte um den Euro-Rettungsschirm (ESM) zu werden, der 2013 wirksam wird. Liberale um den Finanzpolitiker Frank Schäffler wollen verhindern, dass Deutschland bei künftigen Hilfspakten für EU- Schuldenländer zahlt. Die FDP-Spitze sieht darin eine „gefährliche Europa-Skepsis“.