Essen. . Mathe, Deutsch, Islam. Bald steht der Religionsunterricht für Muslime auf den Stundenplänen in NRW. Ab dem Schuljahr 2012/13 soll das Fach zunächst an jenen 130 Schulen eingeführt werden, an denen bereits der Sachunterricht „Islamkunde“ angeboten wird.
Als „Meilenstein zur Verwirklichung von Grundrechten und für mehr Integration“ bezeichnete Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) das gestern bei einer Tagung über Inhalte und Zielrichtung des Faches an der Uni Münster, wo die passenden Lehrkräfte künftig ausgebildet werden sollen. Während die rot-grüne Landesregierung ihre Zusammenarbeit mit dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) als großen Durchbruch feiert, entzündet sich genau daran scharfe Kritik.
Besonders laut erhebt sich die Stimme der Alevitischen Gemeinde Deutschland. Ihr zweiter Vorsitzender Ali Ertan Toprak meint: Der Dachverband, der die vier größten islamischen Organisationen vereint, erfülle nicht die rechtlichen Voraussetzungen, um als Gesprächspartner in Frage zu kommen. Aus diesem Grund will das Land sich mit der Hilfskonstruktion eines Beirates behelfen – wofür zunächst das Schulgesetz geändert werden muss. Toprak kritisiert: „Wenn es keinen Ansprechpartner gibt, kann der Staat sich keinen basteln.“
„Ich habe da wirklich Bauchschmerzen“
Auch an der inhaltlichen Ausrichtung des KRM gibt es Zweifel. „Es gibt dort erzkonservative, fundamentalistische und nationalistische Strömungen“, sagt Toprak. Lamya Kaddor, Vorsitzende des Liberal-islamischen Bundes, befürchtet, dass der Unterricht ein traditionelles Islam-Verständnis vermitteln wird: „Ich habe da wirklich Bauchschmerzen.“ Bekenntnisorientierten Unterricht hält sie dennoch für wichtig: „Er trägt zur Identitätsbildung bei.“
Beim Koordinationsrat herrscht derweil Freude darüber, dass das Ziel immer näher rückt. „Bisher gab es immer nur Zwitterlösungen“, sagt Sprecher Aiman Mazyek mit Blick auf die Sachkunde-orientierte „Islamkunde“. Die Kritik der anderen Verbände weist er ab: „Wir sprechen für die überwältigende Mehrheit der Muslime, die in den Moscheen organisiert sind. Mit dieser Hausnummer hätte die Politik schon längst arbeiten können.“