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Vier Millionen Muslime leben in Deutschland, und sie werden auf Dauer hier bleiben. Der Islam ist damit faktisch Teil der deutschen Gesellschaft. Im hiesigen Bildungssystem spiegelt sich das bisher aber nur sehr unvollkommen wider. Es fehlt an Fachkräfte fehlen.
Derzeit unterrichten nur rund 250 Lehrer islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen. Viel zu wenig, meinen Experten. 2000 Fachkräfte würden benötigt, glaubt der Wissenschaftsrat, die Bildungsgewerkschaft GEW geht sogar von 5000 Stellen aus. Doch es fehlen nicht nur diese Lehrer, es fehlen auch die Professoren, die sie ausbilden könnten sowie die Institute an Universitäten.
Aufbau von Islam-Instituten gefordert
Aus diesem Grund hat der Wissenschaftsrat (WR), der die Politik in Fragen von Wissenschaft und Forschung berät, jüngst den raschen Ausbau islamischer Institute an mehreren Universitäten gefordert. Dort sollen neben Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht an Schulen auch islamische Religionsgelehrte und Imame ausgebildet werden. Schon im nächsten Jahr sollten die Institute ihre Arbeit aufnehmen, hofft der Historiker Lutz Raphael, der für den Wissenschaftsrat das Konzept erarbeitete.
Von der Ausbildung der Imame und Lehrer in Deutschland versprechen sich die Experten einen positiven Integrations-Impuls. Es werde ein kritischer Geist entstehen, der in die muslimischen Gemeinden hineinwirke; ein europäisch geprägtes Islamverständnis. Doch bei der Umsetzung könnten dieselben Probleme auftreten, die jetzt die Islamkonferenz des Innenministers beschäftigen. Denn über die Inhalte sowie die Auswahl des wissenschaftlichen Personals der Institute soll ein Beirat entscheiden, in den die Islamverbände Vertreter entsenden. Wenn dessen Mitglieder sich nicht einigen können, etwa wenn es um die Berufung eines Professors geht, kippt das ganze Projekt.
Nur islamkundlicher Sach-Unterricht
Lutz Raphael glaubt indes an den Erfolg: „Alle Beteiligten müssen allerdings umschalten von Fordern und Abwarten auf Beteiligen und Entscheiden.“ Doch schon bahnt sich Streit an: Das Forschungszentrum der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) kritisiert das WR-Konzept. Muslime seien nur über Anhörungen einbezogen worden. Zudem sollten die geplanten Lehrstühle offenbar nur mit deutschem Geld und Personal aufgebaut werden.
Schon seit zehn Jahren gibt es in NRW Islamkunde-Unterricht, zunächst unter dem Namen „islamische Unterweisung in deutscher Sprache“. Aber dieses Angebot erreicht nur einen kleinen Teil der muslimischen Kinder: 11 000 von 320 000. Dabei ist die Nachfrage riesig. Laut einer Umfrage der Deutschen Islamkonferenz wünschen sich 86 Prozent der muslimischen Eltern Religions-Unterricht für ihren Nachwuchs. Und überall dort, wo es schon Islamkunde gibt, stehen die Schüler Schlange. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es in NRW keinen konfessionellen, den Glauben vermittelnden islamischen Religionsunterricht gibt, sondern nur eine Art islamkundlichen Sachunterricht“, sagt Bülent Ucar, Professor für islamische Religionspädagogik in Osnabrück zur WAZ.
Ucar nennt noch ein Problem: „Bei den 80 Islamkunde-Lehrern, die es in NRW gibt, handelt es sich nicht um staatlich ausgebildete Religionslehrer. Die meisten sind Muttersprachen-Lehrer, die sich weitergebildet haben, einige sind Islamwissenschaftler.“
Die Vermittlung von Wissen über den Islam erfolgt sonst nur über die Moschee-Gemeinden. Dort wird die religiöse Praxis gelehrt. „Aber nicht das kritische Hinterfragen“, sagt Bülent Ucar. „Dafür brauchen wir den islamischen Religionsunterricht.“