Tokio. . In Japan wächst der Ärger über das Krisen-Management bei der Atom-Katastrophe. Der Atomberater der Regierung trat unter Tränen zurück. Die Zustimmungswerte für Ministerpräsident Kan sind drastisch eingebrochen.
Die Kritik am Krisenmanagement der japanischen Regierung nach der Havarie im Atomkomplex Fukushima-Daiichi hat sich drastisch verschärft. Das geht aus einer am Samstag veröffentlichten Umfrage der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo hervor. Demnach sind vor allem die Zustimmungswerte von Ministerpräsident Kan an einem Tiefpunkt angelangt.
So sind 76 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Kan beim Umgang mit der Dreifachkatastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Reaktorunfall unzureichende Führungsqualitäten gezeigt habe. Im März hatten sich noch 63,7 Prozent unzufrieden geäußert. Außerdem sprachen sich 23,6 Prozent der Befragten für einen sofortigen Rücktritt Kans aus, während es im Vormonat noch 13,8 Prozent gewesen waren.
Regierungsberater tritt zurück
Aus Protest gegen seiner Ansicht nach zu hoch angesetzte Grenzwerte nach der Atomkatastrophe von Fukushima erklärte unterdessen Regierungsberater Toshiso Kosako seinen Rücktritt. Er könne es nicht vertreten, dass die Regierung den unangemessenen Grenzwert von 20 Millisievert pro Jahr für Grundschulen in der Nähe von Fukushima festgesetzt habe, erklärte Kosak am Freitagabend.
Der Professor für atomare Strahlung an der Universität Tokio war im März von Ministerpräsident Kan als Berater ernannt worden. Regierungsberater genießen in Japan großen Respekt und es kommt äußerst selten vor, dass Wissenschaftler ihren Beraterposten aus Protest gegen die Regierungspolitik räumen.
„Ich kann das als Wissenschaftler nicht zulassen“, sagte Kosako während einer tränenreichen Pressekonferenz am Freitagabend. „Es erscheint mir, als ziele die Reaktion der Regierung lediglich darauf ab, sich Zeit zu verschaffen.“ Kosako habe auch mangelnde Transparenz bei der Strahlungsmessung rund um den Meiler und die Anhebung der Grenzwerte für Arbeiter in der Anlage kritisiert, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo.
Erhöhte Strahlenwerte bei Arbeitern
Ministerpräsident Kan verteidigte hingegen das Krisenmanagement seiner Regierung. „Wir begrüßen unterschiedliche Sichtweisen unter unseren Beratern“, sagte er am Samstag im Parlament.
Die Betreiberfirma Tepco gab am Samstag bekannt, dass neue Messungen bei zwei erkrankten Arbeitern erhöhte Strahlenwerte von jeweils 240,8 und 226,6 Millisievert ergeben hätten. Die Werte entsprechen damit nahezu dem während der Atomkrise festgesetzten Grenzwert von 250 Millisievert.
Die beiden Angestellten waren im vergangenen Monat vorübergehend in einem Krankenhaus behandelt worden, nachdem sie bei Arbeiten im havarierten Atomkraftwerk radioaktiv verseuchtem Wasser ausgesetzt gewesen waren.
1000 Demonstranten bei Kundgebung in Tokio
Unterdessen versammelten sich am Samstag rund 1.000 Demonstranten im Yoyogi Park in Tokio. Sie schlugen Trommeln und skandierten Parolen gegen die Atomkraft. „Elektrizität in Tokio - Opfer in Fukushima“ war auf einem Transparent zu lesen. „Ich wusste immer, dass Atomkraft gefährlich ist“, sagte eine der Demonstrantinnen, Yoshiko Nakamura. „Das ist eine gute Möglichkeit, meine Ängste zu äußern.“
Das japanische Unterhaus billigte am Samstag außerdem ein Hilfspaket in Höhe von vier Billionen Yen (33 Milliarden Euro) zur Finanzierung der Wiederaufbauarbeiten in den vom verheerenden Tsunami betroffenen Gebieten. Regierungsvertretern zufolge könnte es sich bei den Finanzhilfen um eine erste Tranche eines Fonds für den Wiederaufbau handeln. Es wurde erwartet, dass in der kommenden Woche auch das Oberhaus den Plänen zustimmt. (dapd)