Essen/Rom. . Papst Benedikt XVI. hat seinen Vorgänger Johannes Paul II. am Sonntag vor über einer Million Gläubigen in Rom seliggesprochen. Auf Latein verkündete das katholische Kirchenoberhaupt, dass Johannes Paul II. von nun an “selig“ genannt werden dürfe.

Unter dem Jubel von einer Million Pilger und Touristen aus aller Welt hat Papst Benedikt XVI. seinen Vorgänger Johannes Paul II. am Sonntag selig gesprochen. Nach der Seligsprechung wurde am Petersdom im Vatikan ein riesiges Portrait des vor sechs Jahren verstorbenen Papstes enthüllt. Der feierlichen Messe auf dem Petersplatz wohnten Delegationen aus 86 Ländern bei. Unzählige Pilger, die dort keinen Platz mehr fanden, verfolgten die Seligsprechung auf Großleinwänden in der italienischen Hauptstadt.

Noch einmal schaut die Welt nach Rom auf Johannes Paul II. – auf den Papst, der das Angesicht seiner Kirche und auch das der Welt prägte wie nur wenige Päpste zuvor. Sein Nachfolger, Benedikt XVI., wird den 2005 gestorbenen Pontifex am Sonntag selig sprechen. Hunderttausende hatten sich das gewünscht. „Santo Subito!“ (Heilig, sofort!) schrieben sie auf große Plakate und riefen es in die Ewige Stadt hinein.

Kirchenmann mit Ecken und Kanten

Damals, als Millionen Pilger nach Rom kamen, um Ab­schied zu nehmen von einem Papst, der zu Lebzeiten so viele Superlative gebrochen hat. Seine Biografie – ein Leben wie aus einem Drehbuch. Es war prall, voller Leidenschaft, Schicksalsschlägen, und voll des Ringens um den richtigen Weg. Es formte einen Mann mit festem Willen, Visionen, die an alt-testamentliche Propheten erinnern, aber auch einen Mann mit autoritärer Strenge gegenüber all jenen, die seine Glaubensüberzeugung und Kirchenvorstellung nicht teilten. Johannes Paul – ein Kirchenmann mit Ecken und Kanten.

Als er 1978 zum Papst gewählt wurde, war Karol Wojtyla ein Unbekannter. Er war jenseits des Eisernen Vorhangs zuhause, in Polen. Doch er avancierte schnell zum „Superstar“. Er räumte auf im Vatikan, schaffte den Thronsessel und das majestätische „Wir“ ab. Er reiste wie kein Papst vor ihm von Kontinent zu Kontinent. Er kannte keine Scheu vor den Menschen, im Gegenteil, er war ein Meister der Kommunikation.

Das Fernsehen durfte alles, was er tat, in die Welt senden. Er, der einmal Schauspieler werden wollte, verstand es, die Medien für sich und die Frohe Botschaft seiner Kirche zu nutzen. Selbst am Ende, als er alt war und gebrechlich, gezeichnet von der Parkinson-Krankheit, von den nie richtig verheilten Narben des Attentats, verbarg er sein schweres Leiden nicht.

In die Geschichte ging er ein, weil er, politisch durch und durch, mit dazu beitrug, dass der Ostblock zusammenbrach. Historisch ist die Aussöhnung mit dem Judentum.

Er betrat als erster Papst eine Synagoge

Johannes Paul wuchs in Wadowice auf, bei Auschwitz. Er vergaß nie, dass damals Schulfreunde verschwanden. 1986 betrat er als erster Papst eine Synagoge. Er war auch der erste Papst, der in eine Moschee ging, 2001 in Damaskus. Innerkirchlich hingegen blieb er umstritten. Seine unnachgiebige Strenge in der kirchlichen Sexualmoral stieß – vor allem in Deutschland – auf scharfe Kritik. Ebenso seine Weigerung, den Zölibat zu lockern. Unvergessen blieb seine Anordnung an die deutschen Bischöfe, aus der Schwangerenkonflikt-Beratung auszusteigen.

Heute mischt sich noch eine andere Kritik in die Freude über die Seligsprechung. Es werden Vorwürfe laut, er habe viel zu lasch reagiert, als Missbrauchsfälle durch Geistliche laut wurden. Johannes Paul, sagen Opfergruppen, sei nicht über jeden Zweifel erhaben.

Dennoch: Benedikt XVI. trieb das Verfahren um die Seligsprechung seines trotz allem immer noch überaus populären Vorgängers voran. Drei Monate nach dessen Tod eröffnete er das vorgeschriebene Verfahren. Normalerweise beträgt die Frist fünf Jahre. Dabei wird festgestellt, ob der Kandidat vorbildlich im Glauben war und ob ein Märtyrertod oder ein Wunder nachgewiesen werden kann.

Das Wunder dauerte etwas länger

Bei Johannes Paul dauerte das Wunder etwas länger. Be­zeugt hat es jedenfalls die französische Nonne Marie Simon-Pierre. Sie habe an der Parkinson-Krankheit gelitten, erzählt die 50-Jährige. Ihre Ordensoberin habe ihr nach dem Tod des Papstes empfohlen, seinen Namen aufzuschreiben. We­gen der Krankheit sei ihr das kaum gelungen. Am folgenden Tag seien die Schmerzen weg gewesen. Nicht nur der Vatikan, auch Ärzte und Psychologen prüften das. Doch dann gab es Gerüche um einen Rückfall. Schließlich erkannte der Vatikan die Heilung doch an – als Wunder.

Benedikt schloss daraufhin das Verfahren im Januar ab. Es war das kürzeste der neueren Geschichte. Und so erhält Johannes Paul, der unvergessene Papst, selbst nach seinem Tod noch einen weiteren Superlativ hinzu. (mit afp)

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