Sechs Jahre nach seinem Tod macht der „eilige Vater“ seinem Spitznamen noch alle Ehre. In Rekordzeit wird Papst Johannes Paul II. am Sonntag in den Kreis der Seligen aufgenommen. Die tiefe theologische Bedeutung da­hinter ist selbst Gläubigen schwer verständlich – aber da­rauf dürfte es den Millionen, die die Feier morgen live oder am TV verfolgen, auch kaum ankommen. Sie feiern schon seit Jahren eine Person, die als Mensch die Welt bewegt hat – und dafür gewährt die Kirche nun gewissermaßen Verlängerung.

Das mag man albern finden. Doch die Menschen mögen Vorbilder – und da bietet die Kirche ihre Seligen und Heiligen. Und als Vorbild mag Karol Wojtyła in der Tat in mancherlei Hinsicht taugen. Etwa als Politiker, der den Einfluss des Vatikan nutzte, um den Eisernen Vorhang zu öffnen. Oder als Kirchenführer, der die Religionsgemeinschaft in seinem 26-jährigen Pontifikat deutlich vo­ran gebracht hat. Nicht in den hierzulande gern diskutierten, vergleichsweise kleinen Kategorien von Zölibat und Abtreibungsberatung, aber im großen Ganzen, etwa im Kontakt zu anderen Religionen und der Aufarbeitung der Kirchengeschichte. Oder als Mensch, der in seinem öffentlichen Leiden nicht nur der wundersam ge­heilten Nonne ein Kraft spendendes Beispiel gewesen sein dürfte.

Im Seligsprechungsprozess mag all dies nur am Rande eine Rolle gespielt hatten - ebenso wie Fehler des Papstes. Da hat die Kirche ihre eigenen Kategorien. Um so ehrlicher ist es da, wenn der Vatikan zugibt, dass die schnelle Seligsprechung auch auf Druck der Gläubigen erfolgt. Nach dem Tod des polnischen Papstes hat die Kirche schnell verstanden, dass sie den „Santo Subito“-Rufen nicht ausweichen kann.

Rom wird am Sonntag von Besuchern ähnlich überquillen wie London am Freitag. Und auch in den alten Ri­tualen gibt es Parallelen zwischen Monarchie und Kirche. Dass diese Traditionen auch heute noch Millionen be­geistern, spricht für eine weit verbreitete Sehnsucht nach den Dingen, die jenseits von Wissen und Verstand liegen. Eine solche Emotionalität kann den sonst oft kühl kalkulierenden Europäern nur gut tun.