Washington. . Angesichts der gewaltsamen Niederschlagung syrischer Demonstranten haben die USA ihre Botschaft in Syrien teilweise evakuiert. Zugleich sprach das Außenministerium eine Reisewarnung aus und forderte US-Bürger auf, das Land zu verlassen.

Angesichts der Unruhen in Syrien haben die USA ihre Staatsbürger zur schnellen Ausreise aus dem Land aufgefordert. Das US-Außenministerium riet am späten Montagabend (Ortszeit) zudem von allen Reisen nach Syrien ab. Einige nicht unbedingt für die Arbeit der US-Botschaft notwendigen Mitarbeiter und die Familien aller Mitarbeiter der Botschaft seien aufgefordert, Syrien zu verlassen. Der Betrieb in der Botschaft werde eingeschränkt, hieß es.

Der Ankündigung vorausgegangen war ein verschärftes Vorgehen der syrischen Regierung gegen die Protestbewegung im Land. Tausende Soldaten rückten am Montag nach Augenzeugenberichten unterstützt von Panzern und Scharfschützen in die südliche Stadt Daraa ein. Dort eröffneten sie das Feuer auf Zivilisten, mindestens elf Menschen wurden Augenzeugenberichten zufolge getötet.

500 Anhänger der Demokratiebewegung festgenommen

Bei der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste in Syrien setzt die Regierung nach Angaben von Bürgerrechtlern auch auf Massenfestnahmen. Sicherheitskräfte hätten im ganzen Land rund 500 Anhänger der Demokratiebewegung festgenommen, teilte die unabhängige syrische Organisation Sawasiah am Dienstag mit. Seit die Truppen von Staatschef Baschar al-Assad am Montag mit Panzern in die Hochburg der Aufständischen Deraa eingerückt sind, wurden dort laut Augenzeugen mindestens 20 Menschen getötet. Amnesty International zufolge starben in Deraa mindestens 23 Menschen. Die Menschenrechtsorganisation sprach von einer „brutalen Reaktion auf die Forderungen des Volkes“.

Während der Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen als Begründung für einen Militäreinsatz herangezogen wurde, schöpfen die USA im Fall Syrien bislang noch nicht einmal die diplomatischen Druckmittel voll aus. Die Regierung in Washington gerät zunehmend in Erklärungsnot.

Bislang beschränkte sich Präsident Barack Obama darauf, die Gewalt in Syrien „auf das Schärfste“ zu verurteilen. Den Rücktritt von Machthaber Baschar el Assad forderte er nicht. Auch der Abzug von US-Botschafter Robert Ford, der den sechs Jahre vakanten Posten in Damaskus erst seit Januar als Zeichen besserer Beziehungen wieder besetzt, schien vorerst keine Option zu sein.

„Gezielte Sanktionen“

Allerdings verlautete am Montag aus Obamas Regierung, dass wegen der Niederschlagung der Proteste „gezielte Sanktionen“ gegen die Führung in Damaskus erwogen würden. Zuvor hatte das „Wall Street Journal“ berichtet, dass das Weiße Haus ein Dekret vorbereite, um Vermögenswerte von syrischen Regierungsmitgliedern einzufrieren und ihnen eine wirtschaftliche Betätigung in den USA zu untersagen. Dies wäre der Zeitung zufolge aber eine weitgehend symbolische Maßnahme, da kaum jemand in Assads Führungszirkel über bedeutende Besitztümer in den USA verfügt.

„Washington ist unentschlossen, wie es sich verhalten soll“, sagt Bilal Saab, Nahost-Experte an der Universität Maryland. Einerseits werfen die USA Syrien wegen der Unterstützung für die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas Staatsterrorismus vor. Misstrauisch beäugt Washington die engen syrischen Beziehungen mit dem Iran, auch Damaskus selbst steht im Verdacht, ein geheimes militärisches Atomprogramm betreiben.

Andererseits hätten die US-Verbündeten in der Region ein Interesse, dass der Status Quo in Damaskus erhalten bleibe, sagt Saab. Saudi-Arabien sehe Syrien weiter als Gegengewicht zum regionalen Vormachtstreben des Iran, die Türkei wolle einen stärkeren Einfluss der kurdischen Minderheit im syrischen Norden verhindern. Israel schließlich fürchte sich vor einem radikalislamischen Nachfolger, der für das Land weitaus gefährlicher werden könnte.

Potenzial für eine „äußerst blutige“ Auseinandersetzung

Mohamad Bazzi, Nahost-Experte am Council of Foreign Relations, glaubt, dass auch die US-Regierung insgeheim einen Verbleib Assads angesichts der zunehmend unüberschaubaren Umbrüche in der arabischen Welt für das kleinere Übel hält. „Die Alternative ist irgendeine Form eines radikalen sunnitischen Regimes“, sagt Bazzi. Die Anhänger einer säkularen Demokratie, die nun auf die Straße gingen, hätten dagegen keinen großen Rückhalt in der Bevölkerung.

Außerdem müsste sich die neue Führung nach einem Sturz Assads mit dem mächtigen Sicherheitsapparat des Landes arrangieren. Dass sich die Armee wie bei der Revolution in Ägypten auf die Seite der Protestbewegung schlägt, hält Bazzi für sehr unwahrscheinlich. Dagegen gebe es wie in Libyen, wo Machthaber Muammar Gaddafi seit Wochen der Opposition und ihren internationalen Unterstützern die Stirn bietet, das Potenzial für eine „äußerst blutige“ Auseinandersetzung. Spätestens dann müsse die US-Regierung ihre Erklärungen zu Libyen mit jenen zu Syrien in Einklang bringen. „Politisch wird das sehr schwierig“, sagt Bazzi.

Selbst den Falken in der US-Politik scheint angesichts der drohenden Verwicklung des Landes in weitere arabische Revolten langsam unwohl zu werden. Der republikanische Senator John McCain, in Libyen stramm an der Seite der Protestbewegung, wählte am Montag im TV-Sender NBC mit Blick auf Syrien vorsichtige Worte: „Ich sehe jetzt oder in naher Zukunft kein Szenario, wo ein Militäreinsatz der USA oder NATO in irgendeiner Form hilfreich sein würde.“ (afp/dapd)