Kairo/Tripolis. . Rebellen berichten von Erfolgen in der umkämpften Stadt Misrata. Gefangene Gaddafi-Soldaten berichteten, viele von ihnen würden gerne desertieren, hätten aber Angst vor der Rache der Aufständischen.

Mit einem massiven Raketenangriff auf den Regierungssitz von Muammar Gaddafi hat die Nato am Montag ihre Absicht signalisiert, den libyschen Diktator zu beseitigen. Ein Regierungssprecher in Tripolis sagte, der Beschuss werde als versuchte Tötung Gaddafis verstanden.

In dessen schwer bewachtem Hauptquartier Bab al Azizya hatte es in der Nacht zwei ungewöhnlich schwere Bombenexplosionen gegeben. Danach waren drei der staatlichen libyschen Fernsehsender über eine halbe Stunde lang nicht auf Sendung. Völlig zerstört wurde ein Gebäude, in dem die Büros des Gewaltherrschers untergebracht waren.

Getroffen wurde auch ein Palast, in dem Gaddafi kürzlich eine Delegation der Afrikanischen Union (AU) empfangen hatte. Am Morgen kletterten Gaddafi-Anhänger auf die Trümmer, hissten die grüne Flagge und beschuldigten die Nato, Gaddafi umbringen zu wollen. Wo sich der Despot zum Zeitpunkt des Angriffes aufhielt, ist unklar.

Raketenbeschuss

Gaddafis Truppen nahmen derweil die Stadt Misrata auch das ganze Wochenende wieder mit Grad-Raketen unter Beschuss. Nach Angaben lokaler Ärzte starben am Samstag und Sonntag mindestens 30 Menschen, mehr als je zuvor.

Trotzdem gelang es den Rebellen offenbar, entlang des seit Wochen heftig umkämpften Tripolis-Boulevards die Oberhand zu gewinnen. Nach eigenen Angaben konnten sie die meisten Scharfschützen Gaddafis von den Hochhausdächern der 300 000 Einwohner zählenden Stadt fassen oder vertreiben. Auch das städtische Krankenhaus und der zentrale Marktplatz sind wieder unter Kontrolle der Aufständischen. Zuvor hatten die Ärzte die Verwundeten der Rebellen in kleinen Krankenstationen in der Nähe des Hafens behandeln müssen.

Schlechte Moral

Von den Aufständischen gefangene Soldaten Gaddafis berichteten gegenüber BBC, die Moral in der Truppe sei schlecht. Viele würden gerne desertieren, hätten aber Angst, von den Rebellen hingerichtet zu werden.

Am Samstag hatte das Regime durch seinen Vizeaußenminister Khaled Kaim ankündigen lassen, die Armee habe sich aus Misrata zurückgezogen und den Beschuss der stark zerstörten Stadt eingestellt. In Wirklichkeit jedoch stehen Gaddafis Truppen weiterhin am westlichen Stadtrand und beschießen die Wohnviertel mit Raketenwerfern. Eine dieser Kriegsmaschinen war am Samstag durch den Angriff einer amerikanischen Drohne zerstört worden, die nach der Ankündigung der USA in der letzten Woche erstmals über Libyen zum Einsatz kam.

120 Millionen Euro für die Rebellen

Der Präsident des Provisorischen Nationalrates in Benghazi, Mustafa Abdel Jalil, reiste derweil nach Kuwait, das den Aufständischen einen Kredit von 120 Millionen Euro für Gehaltszahlungen zusagte. Viele Angestellte haben seit zwei Monaten kein Geld mehr erhalten. Der Provisorische Nationalrat ist bisher nur von wenigen Staaten als offizielle Regierung Libyens anerkannt, aus der arabischen Welt allein von Katar.

Jalil bestätigte, dass die Aufständischen Waffen von „Freunden und Verbündeten“ bekämen, weigerte sich aber, die genaue Herkunft anzugeben. Die Rebellen in Misrata werden schon länger von Benghazi aus mit Waffen und Munition versorgt, die libysche Kapitäne mit kleinen Fischtrawlern und Motorbooten dorthin schaffen.