Berlin. . Für Guido Westerwelle war das Treffen der Außenminister der Nato-Mitglieder ein diplomatischer Drahtseilakt. Einerseits durfte er beim Thema Libyen nicht zu belehrend auftreten, andererseits den Konflikt nicht zum Hauptthema werden lassen.

Bei der Einladung durfte man noch einen glanzvollen Show-Termin erwarten. Auf dem Lissabonner Nato-Gipfel Ende November bat der Bundesaußenminister die Bündnis-Kollegen zum Frühjahrstreffen nach Berlin, und es war klar: Das sollte ein Höhepunkt werden. Guido Westerwelles erste internationale Großkonferenz als deutscher Chefdiplomat! Hauptthema: der umsichtig und zielstrebig eingeleitete Abschluss des Afghanistan-Abenteuers. Hauptbotschaft: Guido holt unsere Jungs zurück. Nur ein halbes Jahr später ist alles anders.

Das Haupt-Thema hat dramatisch gewechselt. Die Nato steht immer noch in Afghanistan, der Abzug immer noch auf der Tagesordnung. Aber unterdessen ist man in Libyen in einen weiteren Krieg verwickelt, von dem damals keiner etwas ahnte und von dem sich die Bundesrepublik unter Anleitung Westerwelles auf spektakuläre Weise distanziert hat. Seit Wochen haben die Teilnehmer der Berliner Konferenz lesen können, dass ihr Gastgeber zu Hause enorm unter Druck steht. Und nun soll er zu einem Einsatz schlaue Gedanken von sich geben, den er selbst erklärtermaßen nicht für richtig hält. Aus der großen Show ist eine erstklassige Chance geworden, sich weiter zu blamieren.

Rempelei gegen Westerwelle

Natürlich ist keiner der Anwesenden über den Deutschen hergefallen. Im Gegenteil: Wo immer gefragt wurde, nahmen die Kollegen Gelegenheit zu versichern, dass sie am Berliner Kurs nicht das Geringste auszusetzen, ja das allergrößte Verständnis dafür hätten.

Auch so viel Fürsorge kann indes schmerzhaft sein. Zum Beispiel vom französischen Außenminister Alain Juppé, den Westerwelle vor Beginn des Nato-Treffens separat traf. Bei der anschließenden Pressekonferenz musste er gleich ran, um den Deutschen gegen eine Rempelei in Schutz zu nehmen, die sich der Pariser Verteidigungsminister Gérard Longuet geleistet hatte: Für Deutschland sei die militärische Unterstützung eines möglichen humanitären Einsatzes in Libyen eine Art „mündlicher Nachprüfung“. Das wischte Juppé hastig beiseite: Von einem Examen für die Deutschen könne selbstverständlich keine Rede sein.

Politische Lösung gefordert

Von prüfenden Blicken der anderen aber schon – das wusste man auf Seiten der Gastgeber sehr genau. Und hatte sich deswegen sauber zurechtgelegt, welche Fallstricke vermieden werden müssten: Bloß nichts sagen, was als Rechthaberei gedeutet werden könne, nach dem Motto: Wir haben es euch vorher gesagt, wie schwierig der Kampf gegen Gaddafi wird. Bloß keine klugen Ratschläge. Und schließlich: Das Ganze nicht zu einer reinen Libyen-Veranstaltung geraten lassen, wo doch wichtige andere Probleme – Afghanistan, Russland – auf der Tagesordnung stehen.

An diese Linie hat sich Westerwelle weitgehend gehalten. Die Notwendigkeit einer politischen Lösung hat er be­schworen, den Abgang des Diktators Gaddafi angemahnt, davor gewarnt, die Glaubwürdigkeit der Nato durch Überdehnung des UN-Mandats zu ramponieren. Profil-Schärfung war hier nicht gefragt, Risiko-Vermeidung umso mehr. In diesem Rahmen hat Guido Westerwelle seinen Beitrag zu einer Beratung geleistet, bei der das Bündnis ob der militärischen und politischen Lage in der Kampfzone Besseres zu tun hatte, als sich näher mit den Ungereimtheiten der deutschen Außenpolitik zu befassen.

Die Stimmung war gemischt, berichteten Teilnehmer: Einerseits habe man sich gegenseitig beglückwünscht, dass die militärische Intervention eine Katastrophe verhindert habe. Andererseits sei „allen klar gewesen: Von einer Lösung sind wir noch weit entfernt.“