Berlin. . Die Enthaltung zur Libyen-Resolution im Weltsicherheitsrat hat der Bundesregierung schwere Kritk eingebracht. Die Kritik kommt von SPD und Grünen, aber auch aus den eigenen Reihen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sieht die Berliner Skepsis gegenüber der Libyen-Intervention durch die Kritik der Arabischen Liga bestätigt - und treibt Deutschland damit weiter in die europäische Isolation. „Wenn wir der Arabischen Liga aufmerksam zuhören, dann sind unsere Sorgen berechtigt“, sagte Westerwelle am Montag bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel. Wenn nur drei Tage nach Beginn der Angriffe aus der arabischen Welt Vorbehalte kämen, dann habe auch Deutschland „gute Gründe“ zur Zurückhaltung.

Der FDP-Chef droht Berlin damit noch weiter ins Abseits zu manövrieren. Denn die meisten übrigen EU-Staaten stellten sich am Montag geschlossen hinter die Militärintervention gegen Muammar al Gaddafi und seine Truppen.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, war am Sonntag mit den Worten zitiert worden, die Luftangriffe führten zum Tod von Zivilisten und gingen weiter als die Schritte, die die Liga gebilligt habe. EU-Außenpolitikchefin Catherin Ashton sagte dagegen am Montag, Mussas Zitate seien nicht korrekt wiedergegeben worden. Er habe sich auf dem Pariser Libyen-Gipfel am Samstag hinter die Militärintervention gestellt. Auch die dänische Außenministerin Lene Espersen sagte, die Liga unterstütze die Einsätze.

CDU-Politiker nennt Enthaltung „schweren Fehler“

Doch nicht einmal innerhalb der Regierungskoalition herrscht Einigkeit über den Libyen-Kurs: Der CDU-Politiker und frühere Verteidigungs-Staatssekretär Friedbert Pflüger hat die deutsche Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat zu Libyen als schweren Fehler kritisiert. Rhetorisch setze sich Deutschland für eine gemeinsame europäische Außenpolitik ein, „nun im konkreten Fall entscheidet man sich für einen Sonderweg“, sagte Pflüger der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ vom Montag. Dies sei unverständlich.

Pflüger wies darauf hin, dass eine deutsche Zustimmung im Sicherheitsrat zu der Resolution gegen Libyen nicht automatisch auch einen Kampfeinsatz deutscher Soldaten bedeutet hätte. Die Bundeswehr hätte zum Beispiel auch Unterstützungsaufgaben wie die Luftaufklärung mit Awacs-Flugzeugen übernehmen können. Jetzt sei die EU wegen des Verhaltens der Bundesregierung international nicht handlungsfähig.

Von einem historischen Fehler der Bundesregierung sprach der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann. „Deutschland hat zum ersten Mal seit 1949 einen Alleingang gewagt - und sich selbst international isoliert“, sagte Naumann dem „Handelsblatt“ vom Montag. Die Weigerung Deutschlands, die Einrichtung einer Flugverbotszone zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen zu Unterstützen, rüttele an der Verankerung Deutschlands im Westen und „dient somit nicht der Wahrung deutscher Interessen“.

Gaddafi ist ohne Bodentruppen kaum zu stoppen

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) verteidigt die deutsche Enthaltung im Weltsicherheitsrat zur Libyen-Resolution. Die Enthaltung sei richtig gewesen, sagte Kauder am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“. Da Deutschland sich nicht an militärischen Aktionen beteiligen wolle, sei es auch konsequent gewesen, nicht mit Ja zu stimmen.

Es werde sich zeigen, dass das Regime in Libyen vermutlich nicht ohne Bodentruppen zu stoppen sei. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) habe daher völlig richtig gehandelt.

Deutsche Oppositionspolitiker hatten die Enthaltung kritisiert und erklärt, die Bundesregierung hätte zustimmen und durch einen Anhang zur Resolution deutlich machen können, dass sie sich militärisch nicht an einem Militäreinsatz in Libyen beteiligen wird.

„Die Bundesregierung eiert rum“

Die SPD hat die Libyen-Politik der Bundesregierung kritisiert und ihr einen Schlingerkurs vorgeworfen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte am Montag im Deutschlandfunk, sie habe kein Verständnis dafür, dass sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Einrichtung einer Flugverbotszone zum Schutz von Zivilisten in Libyen enthalten habe. Die Ziele der Resolution seien schließlich „wertvoll und richtig“. Nahles kritisierte vor allem die Begründung der Regierung für ihre Enthaltung. So hätte eine Zustimmung zur UN-Resolution nicht automatisch eine deutsche Beteiligung an dem Militäreinsatz gegen Libyen bedeutet.

„Jetzt eiert die Bundesregierung rum nach der Enthaltung und macht dann Angebote, wie sie doch beteiligt werden und unterstützen kann“, sagte Nahles mit Blick auf die Offerte der Regierung, die Nato an anderer Stelle zu entlasten und sich etwa stärker in Afghanistan zu engagieren. „Es wäre sichtlich besser gewesen, Europa hätte sich hier nicht gespalten, sondern England, Frankreich und Deutschland hätten hier eine gemeinsame Linie verfolgt“, sagte Nahles. Großbritannien und Frankreich hatten für die Resolution gestimmt, beide Länder beteiligen sich seit dem Wochenende an dem Militäreinsatz gegen die Truppen von Machthaber Muammar Gaddafi.

Gabriel findet Enthaltung jetzt falsch

Zugleich rügte nun auch die SPD-Spitze die Enthaltung der Bundesregierung bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über den internationalen Militäreinsatz über Libyen. „Ich halte diese Enthaltung für falsch“, sagte Gabriel. Am Freitag hatte er noch Verständnis für die Stimmenthaltung geäußert. Gabriel sagte jetzt, er habe weiter Verständnis für die Entscheidung, die Bundeswehr nicht in eine neue militärische Auseinandersetzung zu bringen, weil sie damit derzeit wohl überfordert wäre.

Der SPD-Vorsitzende Gabriel signalisierte allerdings die Bereitschaft seiner Partei, einen Einsatz deutscher Soldaten bei Awacs-Kontrollflügen über Afghanistan im Bundestag zu unterstützen. „Wenn die Koalition sagt, wir brauchen einen solchen Einsatz, kann man darüber reden“, sagte Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die Obergrenze für den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan nicht überschritten werde. Diese Grenze liegt derzeit bei 5350 Soldaten, einschließlich aller Reservekräfte.

Libyen steht ein langer Konflikt bevor

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin glaubt nicht an eine schnelle Beilegung des Libyen-Konfliktes. „Wir stehen am Anfang eines wahrscheinlich langwierigen militärischen Engagements. Es wird keine schnelle Lösung geben“, sagte Trittin am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“. Noch nie sei in einem solchen Konflikt etwas durch Luftschläge entschieden worden. Entweder man schicke Bodentruppen oder man werde sich letztlich mit Machthaber Muammar al Gaddafi in irgendeiner Form verständigen müssen. Offenbar seien solche Diskussionen auch Hintergrund für die Differenzen innerhalb der NATO.

Trittin kritisierte erneut die Enthaltung der Bundesregierung im UN-Sicherheitsrat zu Libyen. Zwar teile er mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP), dass die Pläne der militärischen Intervention nicht zu Ende gedacht seine. Man könne seine Haltung aber anders ausdrücken als durch eine Enthaltung. Die Bundesregierung hätte zustimmen und ihre Bedenken durch einen Anhang zur Resolution ausdrücken können. Letztlich würden verschärfte Sanktionen bis hin zu einem kompletten Wirtschaftsembargo und nicht Bombardements den Konflikt entscheiden, sagte Trittin. (rts/afp/dapd)