Brüssel. . Vor dem EU-Sondergipfel zur Lage in Libyen ist ein Vertreter von Machthaber Gaddafi zu Gesprächen nach Portugal gereist. Die EU hatte Gaddafi zum Rücktritt aufgefordert. Die EU-Außenminister kommen am Donnerstag zu Beratungen über die Lage in Libyen zusammen.

Ungeachtet anhaltender Angriffe gegen die Aufständischen in Libyen hat Machthaber Muammar el Gaddafi am Mittwoch auch eine diplomatische Offensive gestartet. Vor Treffen von EU, NATO und Arabischer Liga zu Libyen entsandte Gaddafi einen Vertreter nach Kairo und einen weiteren nach Lissabon. Im Osten Libyens ließ seine Luftwaffe laut Opposition unterdessen Ölanlagen in der Stadt Ras Lanuf bombardieren.

Am Nachmittag landete der libysche General Abdelrahman el Sawi mit einem Privatflugzeug Gaddafis in der ägyptischen Hauptstadt Kairo, wie ein Flughafenbeamter mitteilte. Sawi zählt zu den engsten Vertrauten des Machthabers und ist für Logistik- und Versorgungsfragen zuständig. Italiens Außenminister Franco Frattini zufolge war Ziel der Mission, der Arabischen Liga eine Nachricht von Gaddafi zu überbringen. Diese will am Wochenende in Kairo über eine Flugverbotszone über Libyen beraten.

Vertreter Gaddafis in Portugal

Ein weiterer Vertreter Gaddafis reiste in die portugiesische Hauptstadt Lissabon. Portugals Außenminister Luis Amando willigte nach Abstimmung mit EU-Außenministerin Catherine Ashton ein, ihn zu empfangen. Portugal hat derzeit den Vorsitz über den UN-Ausschuss inne, der die Libyen-Sanktionen überwacht. Laut Frattini waren weitere Gaddafi-Gesandte auf dem Weg nach Brüssel.

Die umstrittene libysche Führung geht internationaler Kritik zum Trotz mit Gewalt gegen Regierungsgegner vor, die einen Teil des Landes kontrollieren. Die EU hat Gaddafi zum Rücktritt aufgefordert und die libysche Führungsriege um Gaddafi mit Sanktionen belegt, um die Regierung zu einem Ende der Gewalt gegen Regierungsgegner zu zwingen. Zudem wurde ein Waffenembargo beschlossen. Weitere Finanzsanktionen gegen die libysche Wirtschaft sind in Planung.

Die EU-Außenminister kommen am Donnerstag zu Beratungen über die Lage in Libyen und der angrenzenden Region zusammen, bei denen auch Amado anwesend sein soll. Sie bereiten einen EU-Sondergipfel zu dem Thema am Freitag vor, auf dem die Europäische Union über die Situation in Libyen beraten und ihre Politik gegenüber der Region neu ausrichten will.

Bei den Kämpfen in Libyen schienen die Regierungstruppen Gebiete an der Front in der ölreichen Region im Osten zurückzugewinnen, die weitgehend in der Hand der Aufständischen ist. Nach Artilleriebeschuss und Luftangriffen zogen sich die Rebellen in Richtung der strategisch wichtigen Hafenstadt Ras Lanuf zurück, wie ein AFP-Journalist berichtete. Einem Sprecher des Nationalrates der Aufständischen zufolge bombardierte Gaddafis Armee die Ölraffinerie in der Stadt. Gaddafi setzte zudem laut Staatsfernsehen eine Belohnung von 410.000 Dollar (294.000 Euro) für die Ergreifung des Chefs des Nationalrats, Mustafa Abdel Dschalil, aus.

Deutschland will schärfer gegen Gaddafi vorgehen

Die Bundesregierung setzt bei der Lösung des Libyen-Konflikts vor allem auf schärfere Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime und sieht die Einrichtung einer Flugverbotszone eher skeptisch. „Aus meiner Sicht müssen die Sanktionen ausgeweitet werden“, sagte Außenminister Guido Westerwelle am Mittwoch in Straubing. Eine Flugverbotszone sei „eine Möglichkeit, aber ich rate doch zur Zurückhaltung und zur genauen Überlegung, insbesondere zu einer intensiven internationalen Abstimmung“, sagte der FDP-Politiker.

Muammar al Gaddafi

Auf den Straßen von Bengasi...
Auf den Straßen von Bengasi...
...feiern die Menschen den Einzug...
...feiern die Menschen den Einzug...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... der libyschen Rebellen nach Tripolis. Viele der feiernden Menschen...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... dürften den gleichen Wunsch haben: Diese Männer bringen ihn mit einem selbst gemalten Plakat deutlich zur Geltung. 42 Jahre...
... Regierungszeit machten  Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den
... Regierungszeit machten Muammar al Gaddafi zu Afrikas dienstältestem Herrscher, er selbst nannte sich deshalb den "König der afrikanischen Könige". Oberst Gaddafi, nach eigenen Worten 1942 in einem Beduinenstamm ... © AP/Sergei Grits
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den
... in der Wüste nahe der Stadt Surt geboren, putschte sich im September 1969 unblutig an die Macht und rief wenige Jahre später den "Staat der Massen" aus. Der regiert sich ... © AP/Francois Mori
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ.
... zumindest in der Theorie selbst und braucht folglich keinen Staatschef, weshalb Gaddafi sich nie so nennen ließ. © REUTERS
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ...
Zu den harmlosen Sonderlichkeiten des Revolutionsführers gehört das berühmte Beduinenzelt, das er selbst zu Staatsbesuchen ins Ausland mitnimmt, weil er nicht in einem Haus schlafen mag. Eine weitere Schrulle ... © REUTERS
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht.
... ist die frische Kamelmilch, auf die er morgens nicht verzichten mag, weshalb immer auch ein paar Kamelstuten mit ins Flugzeug müssen, wenn er auf Reisen geht. © REUTERS
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ...
Seine Herrschaft konnte Gaddafi aber nur mit eiserner Hand festigen. Politische Gegner wurden gnadenlos unterdrückt. Zugleich achtete er bei der Verteilung ... © REUTERS
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt.
... von Macht und Posten darauf, dass die komplizierte Stammesstruktur seines Landes nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Ablehnung und Protest war Gaddafi daher während seiner Herrschaft bisher nur außerhalb seiner Heimat gewohnt. © REUTERS
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden.
Zum internationalen Paria wurde Gaddafi nach einer Serie von Anschlägen, die seinem Regime zugeschrieben wurden. © REUTERS
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ...
Anfang der 90er Jahre verhängten die Vereinten Nationen ein Handelsembargo. Jahrelang hielt Gaddafi dem Druck stand, doch im Frühjahr 2003 entschädigte er dann die Opfer der beiden Flugzeuganschläge, ... © REUTERS
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags.
... wenig später schwor er öffentlich seinem Rüstungsprogramm ab. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Gaddafi-Stiftung auch Entschädigungen an die Opfer des La-Belle-Anschlags. © AFP
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ...
Damit vollzog Gaddafi eine radikale Kehrtwende und streckte die Hand nach dem Westen aus. Libyen wurde wieder hoffähig, die UNO hob das Embargo auf. Internationale Konzerne standen ... © REUTERS
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen.
... fortan in Tripolis Schlange, um Geschäfte mit dem viertgrößten afrikanischen Ölproduzenten einzufädeln. Die Europäer machten ihn zum Partner, um Flüchtlingsströme aus Afrika einzudämmen. © REUTERS
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„Wir müssen verhindern, dass die Herrscherfamilie an frisches Geld kommen kann, zum Beispiel, indem es weiter Geldflüsse nach Libyen gibt, damit der Diktator keine neuen Söldnertruppen anwerben kann“, erklärte Westerwelle.

Westerwelle fordert UN-Mandat

Mit Blick auf eine Flugverbotszone sagte Westerwelle, alles, was über gezielte Sanktionen hinausgehe, „muss von den Vereinten Nationen mandatiert sein und muss vor allen Dingen auch die Rückendeckung der Arabischen Liga haben“. Es dürfe „kein Wasser auf die Propagandamühlen des Diktators“ gegeben werden, „der dann sagt, es sei in Wahrheit keine Volksbewegung, die ihn in Libyen aus dem Amt drängen will, sondern es sei eine Angelegenheit des Westens“.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes telefonierte Westerwelle am Mittwoch mit dem UN-Sondergesandten für Libyen, dem ehemaligen jordanischen Außenminister Abdelilah al Chatib, und sagte ihm im Namen der Bundesregierung „volle Unterstützung bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu“. Westerwelle habe in dem Gespräch auch die Notwendigkeit betont, den Druck auf die libysche Führung zu erhöhen.

Stärkere Sanktionen

Außenamtssprecher Andreas Peschke sagte in Berlin, die Regierung habe in der EU darauf gedrungen, „noch stärkere gezielte Sanktionen gegen Libyen zu verabschieden. Wir sind hier auf einem ganz guten Weg“. Eine Flugverbotszone sei „eine der Optionen, die auf die Tisch liegen“. Eine Verengung der Debatte auf eine solche Option sei der Sachlage allerdings „nicht ganz angemessen“, sagte er.

Peschke erklärte, voraussichtlich könnten schon am Donnerstag beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel erste Beschlüsse für schärfere Sanktionen gefasst werden. Das Treffen soll den EU-Sondergipfel zur dramatischen Lage in dem nordafrikanischen Staat vorbereiten, zu dem die Staats- und Regierungschefs einen Tag später anreisen.

Deutschland dringe auch darauf, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in dieser Woche noch einmal mit der Frage von gezielteren Sanktionen beschäftige, „weil wir glauben, dass man da noch viel mehr tun kann“, sagte Peschke. (dapd/afp)