Mülheim/Essen. . In der SPD fehlt der Mittelbau. Zwischen Jusos und Senioren wird es dünne in der Partei. Die Sozialdemokraten sind deutlich überaltert. Ältere Mitglieder behaupten sich als Platzhirsche. Verantwortung bekommen die Jüngeren nur selten.

Ausgerechnet in der Mülheimer SPD, in der politischen Heimat von Hannelore Kraft, geht es drunter und drüber. Der scheidende Vorsitzende spricht gar von Mobbing. Sein Nachfolger fleht um Loyalität. Sie zanken, intrigieren und strafen sich gegenseitig ab. Da lässt man eine 60-jährige verdiente Genossin auf dem Unterbezirksparteitag, die als stellvertretende Vorsitzende kandidiert, mit 42 Prozent eiskalt durchfallen. Und die eigene Oberbürgermeisterin, Dagmar Mühlenfeld, kommt bei der Vorstandswahl auf schlappe 72 Prozent.

Viel ist von Seilschaften, von Absprachen in kleinen Zirkeln die Rede, von wenigen Mächtigen, die bestimmen, wo es lang geht. Offene Aussprache fehlt. Ein Klima, das sich die SPD nicht leisten kann. Denn den Genossen liegt ein Zwischenbericht des Arbeitskreises „Mitgliederarbeit“ vor. Der zeigt auf, dass von einst 5100 SPD-Mitgliedern nur noch etwas mehr als 2000 übrig geblieben sind, die deutliche Überalterung ist sichtbar: 40 Prozent sind über 60 Jahre, nur zehn Prozent unter 35. Frauen sind klar in der Minderheit, Arbeiter in der klassischen Arbeiterpartei erst recht.

„Junge Leute arbeiten viel lieber projekt- und themenbezogen"

Die aktuellen Defizite der SPD in Mülheim hat der Nachwuchspolitiker Alexander Stock mit seinem Team aufgelistet: Zu viel Hierarchie, zu viel Basta, zentralistische Willensbildung, Angst vor Meinungsäußerungen, keine Nutzung von Kompetenzen. Intellektuelle würden nicht selten als „Schöngeister und Besserwisser“ abgetan, so die Analyse.

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Von Matthias Korfmann

Nicht nur in Mülheim hat die SPD ein Generationenproblem, sondern in ganz Deutschland. Andere Parteien zwar auch, aber die SPD trifft der demografische Wandel besonders hart. „Die Bereitschaft junger Menschen, sich in einer Partei zu engagieren, sinkt. Junge Leute arbeiten viel lieber projekt- und themenbezogen. Und wenn sie schon an Parteien denken, dann eher an die Grünen und die FDP“, sagt Jan Treibel, Parteienforscher an der Uni Duisburg-Essen.

Bei den Liberalen stürmen junge Talente wie Christian Lindner, Philipp Rösler oder Daniel Bahr nach vorne. Die Jungen sind in der Partei gerne gesehen. Ganz anders die SPD. Sie diskutiert im Bund lieber, ob Altgediente wie Frank-Walter Steinmeier oder Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten taugen. Der Nachwuchs hat in der SPD schlechte Karten: „Die Jusos gelten eher als weit links, sie werden von den Älteren belächelt“, sagt Jan Treibel.

Kaum Konkurrenz

Eigentlich müssten die Sozialdemokraten junge Genossen mit offenen Armen empfangen und ihnen alle Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Die Wirklichkeit sieht anders aus: „In der Politik geht es natürlich immer auch um Macht. Für die Jüngeren in der SPD gibt es zwar wenige Konkurrenten in der eigenen Altersgruppe, aber sie sehen sich einer großen Gruppe von Älteren gegenüber“, erzählt Treibel. Einer Gruppe, die ihre Positionen mit allen Mitteln verteidigt. Noch etwas kommt erschwerend hinzu: „In der SPD fehlt der Mittelbau, das Engagement der 30 bis 50-Jährigen. Kommunalpolitik machen ohnehin vor allem Menschen im Seniorenalter und Studenten“, sagt Treibel.

Das Dumme an diesem Generationenkonflikt: Er schreckt Wähler ab. Treibel: „Eine Volkspartei lebt davon, Konflikte intern auszutragen und Kompromisse zu schließen.“ Wenn das nicht mehr klappt, gibt es Kampfabstimmungen und Zerrissenheit. Was hilft dagegen? Vielleicht eine Jugend-Quote. Mit der Frauen-Quote hat die SPD jedenfalls schon beste Erfahrungen gemacht.