Essen. .
NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) fordert nach der Atomkatastrophe in Japan einen sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland. Die von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) angekündigte Überprüfung aller AKWs bezeichnete er als „Placebo-Politik“.
Gehen von der Atom-Katastrophe in Japan Gefahren für NRW aus?
Johannes Remmel: Nach bisherigem Stand keine. Das hängt zum einen sicherlich damit zusammen, dass der Unglücksort tausende von Kilometer entfernt ist und zum zweiten an der derzeitigen Windrichtung. Würde es eine radioaktive Wolke geben, würde diese vor allem die Anrainer-Staaten in Asien treffen, dann die USA.
Für uns alles alles harmlos?
Remmel: Das sicherlich nicht. Denn irgendwann wird die Radioaktivität auch nach Europa kommen, zwar nicht in den Dimensionen, wie es nach demTschernobyl-Unfall war, sondern in deutlich abgeschwächter Form. Es ist aber eine weitere atomare Belastung von Mensch und Umwelt, zu denen, die es ohnehin schon gibt. Daher darf man das nicht verharmlosen.
Wie schlimm ist denn der Unfall aus Ihrer Sicht?
Remmel: Das können wir nicht genau beurteilen, denn teilweise gibt es widersprüchliche Informationen. Wir wissen nur: Es gab eine Wasserstoffexplosion im Block 1 des Kraftwerks Fukushima und Radioaktivität ist ausgetreten. Die Lage des Block 2 ist in einem kritischen Zustand. Viele Experten gehen davon aus, dass es eine Kernschmelze gegeben hat.
Welche Maßnahmen wurden in NRW bis jetzt ergriffen?
Remmel: Konkrete Vorsichtsmaßnahmen würde im Ernstfall der Bund treffen. Als Land sind wir das ausführende Organ. Aber wir haben in NRW bereits ein funktionierendes Messsystem mit Gamma-Sonden, das sicherlich auch eine radioaktive Belastung feststellen würde, wenn diese aus Japan nach Europa zieht. Deshalb sind wir für den Ernstfall gut vorbereitet.
Wird der GAU in Japan auch Folgen in Deutschland haben?
Remmel: Neben der Soforthilfe für die japanische Bevölkerung müssen wir sicherlich hier in der Bundesrepublik über politische Konsequenzen aus der nuklearen Katastrophe in Japan reden.
Bundesumweltminister Röttgen hat dies abgelehnt und als Effekthascherei kritisiert.
Remmel: Dass Norbert Röttgen das so sieht, ist klar. Es war ja schließlich die aktuelle Bundesregierung, die die Laufzeit der Atomkraftwerke für Jahrzehnte auf Druck der Atomlobby verlängert hat. Die Explosion und die Kernschmelze im japanischen Kernkraftwerk Fukushima führen uns einmal mehr dramatisch vor Augen, dass diese Technologie nicht beherrschbar ist und ungeahnte Folgen für Menschen und Umwelt hat. Ein weiterso darf es nicht geben.
Was wollen Sie?
Remmel: Den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft. Die Laufzeitverlängerung gehört auf den Prüfstand und abgeschafft. Atomkraft ist die teuerste Energieerzeugung die es gibt, und die Bürgerinnen und Bürger werden Hunderte von Jahren für diese verfehlte Politik zahlen müssen. Das muss auch Norbert Röttgen endlich akzeptieren.
Der Bundesumweltminister hat bereits eine Überprüfung aller AKW angekündigt.
Remmel: Das ist doch Placebo-Politik. Erst versucht er, die Diskussion über politische Konsequenzen aus dem Japan-Unfall zu unterdrücken. Am Tag drauf gaukelt er Aktionismus vor, in dem er prüfen und analysieren will. Das nehmen ihm die Bürger nicht mehr ab. Sie lehnen die Laufzeitverlängerung als faulen Hinterzimmerkompromiss mit der Atomindustrie ab. Bisher hat Norbert Röttgen in seiner Amtszeit keine gute Figur gemacht. Bei der Atomdebatte im Herbst ist er gescheitert, beim Skandal um Dioxin verseuchte Futter- und Lebensmittel ist er abgetaucht und bei der Einführung von E10 hat er gepatzt. Für was brauchen wir überhaupt noch einen Bundesumweltminister, wenn das alles ist, was er zu bieten hat?
Haben Sie keine Angst vor einer Kostenexplosion beim Strom, wenn die AKW sofort stillgelegt werden.
Remmel: Das ist bewusste Täuschung. Die Bundesregierung selbst hat an die EU-Kommission gemeldet, dass wir in den nächsten Jahrzehnten den Strombedarf aus erneuerbare Energien decken können. Wir brauchen keine Atomkraft. Sie behindert den Ausbau der regenativen Energien und verhindert auch Milliarden-Investitionen der Stadtwerke. Wir müssen uns die grundsätzliche Frage stellen: Wollen wir die Zukunftschancen mit Erneuerbaren Energien nutzen oder wollen wir zurück in die Vergangenheit mit einer Risikotechnologie? Union und FDP haben den Weg in die Vergangenheit gewählt. Wir in NRW haben uns anders entschieden: Für die Zukunft, für regenerative Energien und gegen die teure, schmutzige und risikoreiche Atomkraft.