Berlin. . Überprüfung der Atomkraftwerke ja, erneute Diskussion über die Laufzeitverlängerung nein. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält an ihrer Kernkraftlinie fest. Obwohl sie die Entwicklung in Japan ernst nimmt und nennt.

Die Informationen sind widersprüchlich. Gerade, weil sie eine Physikerin ist, weiß Angela Merkel indes am besten, wie „außergewöhnlich ernst“ die Lage in Japan ist. Nach dem GAU legt sich die Kanzlerin rasch fest. Sie will „nicht alle Fragen jetzt diskutieren“, im Affekt die Verlängerung der Laufzeiten der heimischen Atommeiler in Frage stellen. Es mag Konsequenzen geben – die Sinnfrage gehört nicht dazu. Die Kanzlerin und ihre schwarz-gelbe Koalition halten an der Kernkraft fest und wollen ihre Linie auch offensiv vertreten. Bereits kommende Woche wird es wohl zum Schlagabtausch der Parteien im Bundestag kommen.

Die Menschen sind besorgt

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    Ihren Umweltminister hatten da schon eher Zweifel geplagt. Für Norbert Röttgen stellt sich die Frage der “Beherrschbarkeit von Gefahren“. Noch am Samstag fängt die Regierungschefin ihn wieder ein. Oft genug wurde der Kanzlerin vorgeworfen, dass sie Debatten treiben lasse – diesmal nicht. Merkel berät sich mit ihren Ministern und – in der Koalition – mit der FDP, informiert alle Fraktionen, schlägt für diese Woche eine Bundestagsdebatte vor. Ihre Botschaft: Wir haben verstanden. Sie spricht von einem “Einschnitt für die Welt“. Danach könne man nicht zur Tagesordnung übergehen.

    Merkel kämpft um ihre Glaubwürdigkeit

    Merkel weiß: Tschernobyl hätte man für einen Einzelfall halten können. Aber Japan beweist das Gegenteil. Vor allem ist es ein hochmodernes Land. Wenn schon dort was schief geht...

    Die Kanzlerin ahnt die Zweifel der Bürger. Naheliegend wäre es, die Atomkraft grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Merkel entscheidet sich anders. Nachrüsten ja, Sofortausstieg nein. Sie möchte als Person nicht unglaubwürdig werden und als Opportunistin enden. Jeder wisse, dass sie die Nutzung der Kernkraft für vertretbar halte, sagt sie. Merkel sichert nur zu, dass die Kraftwerke überprüft werden. Es geht um praktische Fragen, wie Vize-Kanzler Guido Westerwelle klarmacht, etwa um die Kühlsysteme.

    SPD schießt sich auf Röttgen ein

    Am Samstag hatte die SPD – anders als die Grünen – noch gezögert. Für Parteichef Sigmar Gabriel ist es eine Frage der Pietät, nicht mitten in der Katastrophe den Parteienstreit anzuheizen. Nur einen Tag spät schießt sich die SPD doch auf Röttgen ein. Der Minister sei für die Sicherheit verantwortlich. „Das kann ihm kein Kanzler abnehmen“, sagt Gabriel. Der Umweltminister müsse sich fragen, ob er einem Kabinett angehören könne, das seine Sicherheitslinie nicht mittrage.

    Gabriel stellt vier Forderungen auf. Die Regierung solle das kerntechnische Regelwerk in Kraft setzen. Dann könne man die Sicherheit der Meiler jeweils nach dem modernsten Stand der Technik prüfen.

    Ältere Anlagen würde er vom Netz nehmen, die Verlängerung der Laufzeiten rückgängig machen und eine Energiewende einleiten. Das heißt: Investitionen in mehr Effizienz, in erneuerbare Energien, in moderne Kohle- und Gaskraftwerke. Für den SPD-Chef ist das Zeitalter der Kernenergie zu Ende gegangen: am 11. März 2011.